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Fossiliensuche auf Gotland

In Deutschland ist es kaum möglich in silurischen Schichten nach Fossilien zu suchen. Die vorhandenen Aufschlüsse sind alle Tiefwasser-Fazies, also schwarze Schiefer mit Graptoliten und seltenen Trilobiten. Da also das Silur in meiner Sammlung durch Abwesenheit geglänzt hat, habe ich mich im Frühjahr 2004 mit einem Bekannten nach Gotland aufgemacht. Der folgende Reisebericht erzählt von einer sehr fossilreichen Reise:

 

Gotland 2004

 

6.5.2004 Donnerstag Nachmittags von Essen über Bremen, Hamburg und Lübeck nach Travemünde. Mit der Nachtfähre nach Trelleborg. Gutes Buffet und die Kabiene ist auch ok. Man merkt nicht, das das Schiff sich bewegt.

 

7.5. Freitag Die schwedische Südküste lang. Etwas suchen in Brantevik am Strand. Nur ein paar kambrische Agnostidenreste. Weiter zur Übernachtung nach Kalmar. Kurzer Abstecher über die Brücke auf die Insel Öland. Viele hölzerne Windmühlen, kleine Kirchen und roter Ortoceratenkalk in kleinen Aufschlüssen nebn der Straße. Das Wetter ist regnerisch.

 

8.5. Samstag. Von Kalmar nach Oskarsham die Küste hoch. Von dort mit der Fähre nach Visby auf Gotland. 2,5 Stunden ruhige Überfahrt. Schlüssel abholen und dann quer über die Insel nach Ljugarn zu unserem Haus im grünen. Ein gelber Holzbau auf Betonträgern als Fundament. Alles sehr schwedisch. Zwei Schlafzimmer, großer zentraler Wohnraum, Küche, Bad. Die Küste ist zu Fuß nicht weit, durch den Wald der das Haus umgibt. Die Ferienhäuser sind recht weitläufig verteilt. Es sind aber jetzt in der Vorsaison kaum Gebäude vermietet. Auf den Wiesen entlang der Küste ist alles voller Küchenschellen. Ein Raukarfeld (Erosionsfelsen) ist nicht weit. Blauer Himmel und windig.

 

9.5. Sonntag. Auf dem Weg nach Lau Backar zu einem Feld mit Bildstein, einigen Grabhügeln und diversen Resten von Steinsetzungen. Überall wachsen gelbe Schlüsselblumen und gelbe und violette Orchideen. Lau Backar ist ein ca. 10 Meter hoher Hangrücken mit Windmühle oben drauf. Die Wiesen am Fuß des Hanges sind gelb von Löwenzahn. Ein tolles Motiv mit blauem Himmel und Sonnenschein. Überall wittern Fossilien heraus. An einer Stelle aus einer Schicht, die nur aus tausenden Seelilienstilgliedern aller Größen zu bestehen scheint! Nach etwas genauerem Hinsehen findet sich ein Kelch nach dem anderen! Das fängt ja gut an. Dieser Aufschluß zählt zu den Eke-Schichten des Silurs auf Gotland. An einem Straßenanschnitt am Fuß des Hügels ist die Hemse-Eke Grenze gut zu sehen. Auch hier finden sich reichlich Fossilien. Besonders kleine Platten mit weißen Muschelkrebsen (Beyrichida) und eine Solitärkoralle, die der Calceola Sandalina aus dem Devon aufs Haar gleicht und hier Rhizophyllum Gotlandicum heißt. Ebenfalls typisch für die Eke-Schichten.

Weiter zu einem aktiven Steinbruch nach Klinte. Das frisch gesprengt Material ist relativ unergiebig. Aber die angewitterten Schichten an den Seiten und oben sind einmalig. Oben finden sich Crinoiden-Wurzelböden. Auf den Steinen sitzen die Wurzelgefelchte wunderbar plastisch herausgewittert. Dann finden sich noch Reste von Beutelstrahlern! Der Aufschluß gehört zu den mittleren Klinteberg-Schichten. Wenn das mit den Funden jeden Tag so weiter geht wird es eng im Wagen.

 

10.5. Montag. Nach Norden und mit der Fähre auf die vorgelagerte Insel Farö. Die Insel ist ziemlich unbesiedelt, aber es gibt viele Vögel. Ein großer Teil der Insel sind Mondlandschaften. Weite Geröllfelder, die langsam oder in Terassen zur Küste abfallen. Der Untergrund besteht nur aus silurischen Kalken und die Humusschicht ist dünn oder nicht vorhanden. Gotland war nach der letzten Vereisung von 11.000 Jahren durch den Eispanzer unter Wasser gedrückt worden und bei Abschmelzung der Eismassen und damit steigendem Wasserspiegel nur langsam wieder aufgetaucht. Hinzu kommt, das die Vorläufer der Ostsee mal Süßwasser mal Salzwasser waren. Je nachdem, ob es gerade einen Zugang zum Atantik gab oder nicht. Zuerst nach Lauterhorn. Am Strand brüten die Küstenseeschwalben. Graugänse sind ebenfalls am Strand. Die Gänse sind scheu und darum schwer zu beobachten und zu fotografieren. Dann gibt es noch Brandenten, verschiedene Möwenarten und diverse kleine Singvögel. Weiter zu den großen Raukas bei Langammer. Diese Erosionssäulen sind stehengeblieben, da der sie bildende Riffkern härter ist, als der bereits erodierte Kalk. Bei Mölnor gibt es ein interessantes Profil zur Fossiliensuche. Die Schichtfolgen der Slite-Schichten sind hier sehr abwechslungsreich. Ich finde einen kleinen Graptolithen (!!!) und einige Platten mit Tentakuliten.

 

11.5. Dienstag. Gotland hat ein interessantes Mikroklima: Früh morgens ist es oft etwas bewölkt, aber gegen 10 Uhr steht man fast immer unter blauem Himmel und erst abends kommen wieder einige Wolken auf. Morgens ist es noch etwas kühl (10-16 Grad) und windig. Auf den Fahrten kreuz und quer über die Insel kommt man oft an Kirchen vorbei. Diese wurden zumeist im 12 oder 13 Jahrhundert erbaut und dann immer wieder erweitert. Darum wirken sie oft, als wären mehrere Gebäude aneinander gereiht. Zuerst bestand die Kirche nur aus einem einfachen Gebäude, oft mit einzeln stehendem Wehrturm. Dann folgte ein Turm, dann auf der anderen Seite ein weiterer Anbau, der oft höher ist als der nun mittlere älteste Gebäudeteil. Innen wirken sie, wie alle protestantischen Kirchen, schmucklos. Einige Kalkmalereien, eine geschnitze Kanzel, oft ein Modellschiff, ein Taufbecken aus Stein, hölzerne Sitzreihen, durchnummeriert oder mit Namen versehen. Heute gibt es am Weg wieder zwei Bildsteine. Alle, die heute noch im Freien stehen sind blind, d.h. Ihre Bilder und Verzierungen sind verwittert und man sieht nur noch den Umriss.

Bei Blahell ist der Mulde-Mergel nah der Küste in einem schönen 4 meter hohen Profil aufgeschlossen. Das Kliff ist auf der gesamten breite feucht und von oben tropft Wasser herunter. Es gibt nur Brachiopoden und Trilobitenreste. An der Küste lang durch ein Naturschutzgebiet. Hier gibt es viele Kiebitze. Diese Vögel sind sehr elegante Flieger, die im bogenförmigen Sturzflug auf alle Eindringlinge in ihr Revier losgehen.

 

12.5. Mittwoch. Morgens auf dem Weg nach Grogarnshuvud wieder an einigen Kirchen vorbei. Ärgerlicherweise sind viele verschlossen. Wegen des schlechten Bodens wird hauptsächlich Weidewirtschaft betrieben. Nur gelegentlich sieht man ein knallgelbes Rapsfeld. Pferde aller Rassen, Schafe und Kühe dominieren das Bild. Nur die trockengelegten Moore sind für Getreide geeignet. Hier ist der Boden schwarz und nicht so steinig. Es gibt überall Entwässerungkanäle. Bei Grogarnshuvud gibt es wieder einen terassenförmigen Küstenaufbau. Vom Platau hat man einen schönen Überblick. Nur die Wege sind etwas schlecht. Lose Schotterpisten mit vielen Löchern. Die Terassen sind ganz flach, um dann wieder Steil auf die nächste Stufe abzufallen. Mit Gummistiefeln kann man sehr weit auf das Meer rauslaufen. Wo sich die Wellen brechen geht es dann steil in die Tiefe. Die Brandung hat viele Fossilien an den Strand geworfen, aber auch im Wasser liegt viel. Hauptsächlich verschiedene Orthoceraten, Schnecken und Korallen. Aber zwischen den harten Kalkbänken gibt es auch weiche Tonmergel in dünnen Schichten. Wieder Platten mit Tentakuliten.

 

13.5. Donnerstag Zuerst auf dem Weg nach Valleviken zu zwei Kirchen (Kräklingbro, Gothem). Valleviken ist eine überflutete alte Zementgrube in den Slite-Schichten. Viele Trilo-Teile und eine 'Feder' Das Mostierchen Ptilodictya Lancelota. Weiter nach Puttasjaus. Die Grube leider nicht gefunden, es fehlten einfach die genauen Ortsangaben. In Lergrav kaufen wir Räucherfisch und Fischfrikadellen im kleinen Laden eines Fischers ein. Ein steinerner Erosionsbogen auf der anderen Straßenseite ist auch noch ein schöner Fotostopp. Wenn es windstill und nicht zu kalt ist, werden die Mückenschwärme doch etwas lästig. Weiter an großen aktiven Zementgruben mit eigenem Hafen vorbei nach Grodde. Viele Muschel - und Trilo-Reste und noch eine 'Feder'. Tentakuliten in Mengen. Höglöint-Schichten ohne Riff, seltsam.

 

14.5. Freitag Fahrt zur Südspitze. Viele Nonnengänse und zwei weitere Orchideenarten. Erster Aufschluß bei Burgen. Ein kleiner Steinbruch des Burgsvik-Sandsteins. Die gestapelten Sandstein-Ziegel dienen der Renovierung von Kirchen und Mauern. Wir haben schon Paletten bei Kirchen gesehen. Wenig drin, aber schöne Farben des Sandsteins: Innen grau blau, rundherum sandfarben. Auch rote Schichten kommen vor. Weiter nach Kettelvik. Auf der Schotter-Zufahrtstraße prasselt der Dreck gegen den Wagen und der Wagen sieht entsprechend schlammfarben aus. Auch einige Regengüsse ändern im weiteren Verlauf der Reise daran nichts. Erst in Deutschland, bei dem Versuch den 'Dreck' mit Hochdruck zu entfernen, merke ich das das klebrige Zeug wohl eine Art Teer/Kleber zur Festigung der Straße ist. Die Beseitigung ist zeitraubend und teuer. Ab Kettelvik scheint die Sonne, nachdem es vorher schon mal geregnet hat. Die Sandsteine im Cliff mit ihren Oolithen und Pisolithen sind Geologie life. Ein toller Aufschluß. Teilweise vom Meer abgerollt und geschliffen, sieht man die Schalenbildung um die Kerne sofort. An den Klippen von Hoburgen sieht man dann die jüngsten drei Schichten auf Gotland übereinander. Unten Burgsvik-Sandstein, dann die Hamra-Schichten mit ihren Algenkalksteinen und dann oben die Sundre-Schichten mit dem schönen roten Crinoiden-Marmor. Die Klippen sind sehr hoch und steil. Auf einem Cliff sitzt das Militär und hat sich wohl oben mit Bulldozern eine Plattform geschaffen. Es gibt daher hohe Abraumhalden.

 

15.5.Samstag Fahrt nach Norden nach Siksarve und Ireviken in den Visby-Mergel. Die Aufschlüsse sind toll. Der Himmel ist märchenhaft blau, die Luf klar, weiße Klippen, die Ostsee beginnt durch die starke Sonneneinstrahlung zu dampfen. Kleine Tupps von Schwänen ziehen lärmend im Tiefflug an uns vorbei. Es gibt viele Kettenkorallen (Halysites) und am Ende des Cliffs einen Hang mit Knopfkorallen (Leitfossil Visby-Mergel). Bei ca 100 Stück ist es auch gut. Dann finde ich auf dem Rückweg wenigstens eine solitäre Koralle Goniophyllum pyramidiale. Auf dem Rückweg über Visby eine kurze Fahrt duch die Altstadt: Stadtmauer, enge Gassen, historische Gebäude, Kopfsteinpflaster. Noch zwei Kraniche an der Straße.

 

16.5. Sonntag In Roma wird die Klosterruine auf eine Shakespear-Aufführung vorbereitet. Das Silur-Museum ist noch immer im Aufbau und wirkt erbärmlich. Aber man läßt uns einen kurzen Blick auf einige Exponate werfen, da haben wir bald mehr im Kofferraum... Galgberget bei Visby, hübsche Aussicht aber nichts zu finden. Jetzt ein Stadtrundgang durch Visby in aller Ruhe. Am Wochenende in der Vorsaison ist die Stadt recht leer und malerisch. Die Stadt ist auf mehreren Ebenen erbaut und erlaubt so schöne Blicke auf die tiefer gelegenen Stadtteile. Die Kirchenruinen prägen das Stadtbild seit der Reformation. Warum sind weder die nutzlose Stadtmauer noch die Ruinen abgerissen worden? Südlich von Visby in das offene Militärgelände Blahell. Gute Funde am Cliff. Visby oder Högklint-Schichten ???

 

17.5. Montag Gothemhammar am Strand lang. Interessantes Profil der unteren Halla-Schichten. Viele dunkle Muschelkrebse auf hellem Gestein unten, dann ein glatter Hartgrund (=Schichtlücke) und dann eine Schicht mit Tentakuliten (Klinteberg-Schichten). Weiter nach Grodde, wo ich einen ganzen Calymene-Trilobiten offen in der Brandungszone liegen finde!

 

18.5. Dienstag Fahrt mit dem Schiff zur vorgelagerten Insel Stora Karlsö. Führung um die Insel. Oben ist es beim Blick auf die riesigen Kolonien von Alken sehr windig. Die Vögel stürzen sich aus der Wand und rasen im Sturzflug über das Wasser. Keine guten Flieger mit den kurzen Flügeln, aber sehr gute Schwimmer, die fast das ganze Jahr im Wasser leben. Es gibt viele Orchideen auf der Insel.

 

19.5 Mittwoch Zuerst noch einmal nach Grogarnshuvud, aber nicht so tolle Funde. Es ist den ganzen Tag windig (7-8). Essen im nahen Fischrestaurant (Räucherfisch mit goldener Haut und Kartoffelsalat) Noch mal kurz bei Lau Backar vorbei, aber irgend wie ist heute nicht viel mit Fossilien, egal es ist schon mehr als genug.

 

20.5. Donnerstag. Spazieren fahren. Vom Högklint hat man eine tolle Aussicht entlang der Küste auf das nahe Visby und Röver Liljas Höla. Spazieren gehen entang des Cliffs. Der Fundort Klinte hat sich in der einen Woche stark verändert und wurde zugeschüttet. Funde ohne starke Niederschläge erst mal nicht mehr möglich, schade. Noch etwas spazieren fahren.

 

21.5. Freitag Fahrt zur Fähre. Vorher Haus geräumt. Noch in Visby ins Museum. Nicht gerade umwerfend: einige schöne Bildsteine, Schatzhorte, Kircheninventar, das man zu leicht einpacken könnte am ursprünglichen Standort usw. 3 Stunden Überfahrt mit der Fähre, weiterfahrt bis Kalmar.

 

22.5. Samstag Öland. Von Kalmar über die Brücke auf die Insel. Die Tour nach Norden ist lang, da die Insel bonenförmig lang und schmal ist. Suchen bei Djupvik. Schönes Profil: Orthoceratenkalke oben, Stinkkalke und Schiefer aus dem Kambrium darunter. Nichts tolles gefunden, was mitzunehmen lohnen würde. Weiter zur Nordspitze mit Leuchtturm. Viele Windmühle, bis zu 5 auf einem Haufen. Windmühlen und Kirchen sind alles fast identische Modelle. Die Insel ist dichter besiedelt, da über die Brücke erreichbar. Es gibt besseren Boden und mehr Niederschläge. Also wird auch mehr Getreide angebaut, weniger Weidewirtschaft. Der Wald ist auch höher.

 

23.5. Sonntag Öland Südtour. Eine Mauer zur Jagd quer durch die Insel aus alter Zeit, ein Leuchtturm an der Südspitze mit Vogelparadies, ein kleiner Hafen im Niergendwo. Viele Felder. Dann durch Smaland (Wald) und Schonen (endlose Felder) zur Nachtfähre Trelleborg - Travemünde. Gutes Essen, ruhige Überfahrt.

 

24.5. Montag Morgens von Travemünde nach Essen. Über 4.200 Kilometer gefahren.

 

Hier nur einige Beispiele für die Fossilien. Es sind über 2.000 Arten auf Gotland dokumentiert.


Über 100 Knopfkorallen in weniger als 2 Stunden gefunden:

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Ein Trilobit:

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Eine Solitärkoralle, wie es sie auch im Devon der Eifel gibt und diverse Teile von Seelilien.

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