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Kanada: Das Paläozoikum Südwest Ontarios. Teil 3: Noch ein paar Eindrücke

English abstract:

In this final report, the author describes a number of geological and natural sites in southern Ontario which are well worth a visit when one can find the time for it.

The following areas are described:

Craigleith. Ordovician layers on the shore of Georgian Bay. Trilobites and Brachiopods.

Greig’s Caves. On the site of an ancient Silurian coastline where the film “Quest for Fire” was shot.

Forks of the Credit. A provincial Park on the Credit River south of Orangeville where the Whirlpool Formation of the Lower Silurian (Llandovery) is exposed. You are not allowed to use hammer and chisel, but you may remove any interesting stones that may be laying around.

Elora Gorge. One of the many typical beautiful gorges of southern Ontario. It runs mainly through the dolomite of the Middle Silurian. Fossils are a rarity, but the view is spectacular.

Etobicoke Creek. This little river flows into Lake Ontario on the western edge of greater metropolitan Toronto. If you walk up it from Marie Curtis Park, you can find stones lying around which belong to the Georgian Bay Formation of the Upper Ordovician.

Scarborough Bluffs. Located also on the shore of Lake Ontario, but this time to the east of Toronto. A more recent, Paleocene Formation. Very pittoresque.

Niagara Falls. What more can you say?


 
Die ersten zwei Berichte waren jeweils einer besonderen Fundstelle gewidmet. Diesmal, als vorübergehend letzter Beitrag, möchte ich euch noch eine paläontologisch bekannte Lokalität kurz vorstellen und dann auf einen kleinen geologischen Streifzug mitnehmen. Hier ist erstmal eine Karte für den Überblick:



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Quelle: Openstreetmap.org

Craigleith

Craigleith ist eine kleine Ortschaft westlich von Collingwood am südlichen Ufer der Georgian Bay. Dort gibt es einen kleinen Provinzial Park direkt am See, wo man sein Zelt aufbauen oder den Wohnwagen abstellen kann. Auf eine Strecke des Seeufers, die über einen Kilometer lang ist, sind die Utica Ölschiefer der Whitby Formation aufgeschlossen. Sie gehören ins Ober-Ordoviz, genauer gesagt zur Sandbian-Stufe. Es wurde aus diesen Schiefern bis Anfang des letzten Jahrhunderts Öl gewonnen, solange bis dieses Verfahren nicht mehr mit modernere Methoden der Ölgewinnung konkurrieren konnte. Im Park gibt es eine Museum, welches die Geschichte der damaligen Grube und der Raffinierung recht anschaulich darstellt. Was uns aber besonders als Sammler interessieren soll ist, dass man immer noch dort Fossilien finden kann und darf. Selbstverständlich nicht im Park, aber doch gleich östlich davon.


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Hier kann man diese Schiefer relativ leicht spalten und nicht nur reichlich Brachiopoden-Platten sondern auch Trilobiten-Pygidien ernten. Ich habe ein paar Stunden damit verbracht während meine Frau sich in ihrem Strandstuhl sonnte. Diese Häutungsreste kann man über die ganze Strecke beobachten. Was für eine Lebensfülle von damals! Hier sind ein paar Eindrücke:



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Brachiopoden-Pflaster. Bildausschnitt 8x6 cm. Sammlung Roger Furze

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Pseudogygites latimarginatus. Breite des großen Pygidiums: 5 cm. Sammlung Roger Furze

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Hier ist auch ein Großteil der Thorax erhalten. Länge 4 cm. Sammlung Roger Furze

Man muss aber viel Glück haben, ein vollständiges Exemplar zu finden. Das geschieht angeblich recht selten dort. Hier ist eines von einer anderen Fundstelle:



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Foto und Sammlung: Kevin Kidd.

Jetzt gehen wir auf Wanderung. In meinem ersten Beitrag gab ich eine kurze Beschreibung des Niagara Escarpment. Es gibt einen Fernwanderweg namens Bruce Trail, der dieses geologische Denkmal von den Niagara Falls im Süden bis zur Spitze der Bruce Peninsula im Norden begleitet. Wie man an der obigen Karte sieht, ist Ontario regelrecht mit Parks gespickt. Ich habe einige Teilstrecken bewandert und möchte Euch hier mitnehmen. Fangen wir im Norden an.




Greig’s Caves

In der Nähe der Kleinstadt Wiarton am östlichen Ufer des Bruce Peninsula gibt es eine markante geologische Formation Namens Greig’s Caves. Sie besteht aus Amable Dolomit und Kalkstein des mittleren Silur. Sie stellt die Küstenlinie eines paläozoischen Meeres anschaulich dar. Man kann den „Strand“ unten bewandern und die Höhlen erforschen oder oben über die Klippen laufen, wo einige herrliche Aussichten zu genießen sind. Diese Stelle ist dadurch bekannt geworden, dass ein Teil des Films „Quest for Fire“ in diesen Höhlen gedreht worden ist. Sie sehen eigentlich recht gemütlich aus, oder?


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Forks of the Credit

Mitten in der Landkarte sieht man die „Forks of the Credit Provincial Park“. Ich lebte vor 25 Jahren gleich nebenan, weil ich damals zwar naturverbunden aber noch nicht geologisch interessiert war, ahnte ich nicht was in das Gestein steckte, über das ich fast jede Woche gelaufen bin. Dort befindet sich nämlich die Grenze vom Ordovizium zum Silur im Bachbett des Credit River. An der so genannten „Cataract“ ist der Sandstein der Whirlpool Formation des untersten Silurs (Llandover) aufgeschlossen. Vor langer Zeit gab es hier an den pittoresken Wasserfällen mehrere Mühlen. Im vorletzten Jahrhundert wurde erst ein mit Wasserkraft betriebenenes Sägewerk gebaut, danach wurde es für das Mahlen von Getreide umgestaltet bis schließlich, gegen Anfang des letzten Jahrhunderts, Strom für die umliegenden Dörfer erzeugt wurde. Vor 60 Jahren wurde es aufgegeben und heute ist es nur noch eine Ruine inmitten einer wunderschönen Landschaft. Weiter flussabwärts an der Gabelung (Forks) waren im letzten Jahrhundert drei Steinbrüche, die den beliebten Bausandstein gewonnen haben. Die Parlamentsgebäude der Provinz Ontario wurden aus diesem Gestein erbaut.



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Die Wasserfälle unterhalb der Mühle.

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Der alte Staudamm oberhalb davon. Hier spielte ich im Wasser früher mit meinen Kindern.

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Ein altes verblichenes Foto von der Mühlenanlage.

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Eine Tafel am Wanderweg. Typisch Kanadisch!

Wenn man unterwegs genau hinschaut, kann man schon etwas entdecken. Es ist möglich Lesesteine mitzunehmen:

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Ein Stück Meeresboden mit rugosen Korallen Enterolasma sp., dem Brachiopoden Leptaena sp., Bryozoen und ein Pygidium des Trilobiten Acernaspis sp. Sammlung Roger Furze

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Stillleben mit Bryozoa. Sammlung Roger Furze



Elora Gorge

Der Kleinstadt Elora befindet sich am östlichen Rand eines Gebietes, der im 18. Jahrhundert von vielen Deutschstämmigen Menschen besiedelt wurde. Wenn man von hier aus nach Kitchener-Waterloo fährt, kommt man durch Dörfer mit Namen wie Salem oder Heidelberg. Auch viele Amish und Mennoniten leben in der Gegend, und man begegnet öfters die schwarze Pferdekutschen der „Old Order“, mit ihren leuchtend roten Warndreieck am Heck. Der Elora Gorge am Grand River ist exemplarisch für den vielen kleinen Schluchten Südontarios und ist ein beliebtes Ausflugsziel, nicht nur der dortigen Bevölkerung. Früher gab es hier auch eine Mühle, der jetzt als Feinschmecker-Restaurant fungiert.  Man kann Kilometer weit an der Schlucht entlang wandern oder in den Schlucht selbst hinabsteigen und die Füße ins Wasser baumeln lassen. Hier bekommt man einen guten Blick in die dolomitisierten Kalksteine der Guelph Formation des mittleren Silurs. Fossilien sind wegen der Umkristallisation relativ selten, und wenn man etwas findet ist es meist dadurch fast unkenntlich. Der Schlucht ist aber trotzdem ein wunderbares Ziel für einen Tagesausflug.



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Alte Mühle am Wasserfall mit der „Tooth of Time“(Zahn der Zeit) mitten im Fluss.

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Auch hier gibt es Höhlen zu entdecken.

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„Lazing on a Summer afternoon“

Etobicoke Creek

Jetzt machen wir einen kleinen Abstecher Richtung Toronto. In den meisten Großstädten Ontarios gibt es die so genannte „Greenbelts“ (grüne Streifen), breite Kilometer lange Naturbelassene Gebiete, die sich manchmal durch die ganze Stadt schlängeln. Sie dienen der ruhige Erholung der Stadtbevölkerung und sind, besonders am Wochenende, beliebtes Ziel für Picknicks, Frisbeespiel und andere Freizeitbeschäftigungen. Es gibt gepflegte Teile, aber auch Teile, die immer noch ganz wild sind, wo die Waschbären, Stinktiere  und andere wilde Tiere sich wohl fühlen.

Einen solchen Greenbelt befindet sich in Etobicoke, ein westlicher Stadtteil von Toronto. Marie Curtis Park ist an der Mundung der Etobicoke Creek in den Ontariosee zu finden. Von dort aus kann man sich aus den gepflegten Teil des Parks, unter der Bahnbrücke in nördlicher Richtung entlang den Fluss auf einen Wanderweg durch ein relativ Naturbelassenes Gebiet bewegen. Man wandert hier durch die Schichten der Georgian Bay Formation des oberen Ordoviziums. Ein Lesestein habe ich auch von hier mitgenommen und zu Hause angeschliffen.



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Gestreckter zur Ordnung der Actinocerida gehörender Nautilus Treptoceras crebriseptum (Hall 1847). Stufengröße: 12 x 10cm. Sammlung Roger Furze

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Nahaufnahme derselben.

Scarborough Bluffs

Diese Klippen sind am Ufer des Ontariosees einige Kilometer östlich des Stadtzentrums von Toronto zu finden. Sie fangen bei den Eastern Beaches in Toronto an und erstrecken sich über 14km. bis nach Westhill im Osten. Bei Bluffers Park in Scarborough kann man sie gut beobachten. Sie formten früher das Ufer des eiszeitlichen Iroquoissees. Die ersten 46 Meter der Sedimentschicht bildeten sich vor rund 70,000 Jahren in einem großen Flussdelta. Sie enthalten spärlich fossile Pflanzen und Tiere. Die darüber liegende Schicht besteht aus Geschiebemergel und Sand; die jüngste Schicht der Scarborough Bluffs ist rund 12.000 Jahre alt. Diese imposante Felsstruktur am Stadtrand ist wegen der Verwitterung der weichen Schichten ständig in Bewegung und der Wanderweg am Fuß der Wand ist manchmal nach einem kräftigen Gewitter streckenweise nur mit Mühe passierbar. Wir haben aber einen schönen Tag erwischt, und konnten einige Fotos machen:


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Vergängliche aber markante Felsformation. „Mutter und Kind“ haben wir sie genannt.

Niagara Falls

Das letzte Ziel unserer Wanderung sind - ja, Du hast es erraten - die Niagara Falls. Ich schreibe „Niagara Falls“ lieber als „Ni-a-ga-ra Faelle“, weil wenn ein Deutscher den Namen so ausspricht, kommt er nie ans Ziel. Man wird nur schräg und verständnislos angeguckt. Und Nota bene: Das „i“ ist nicht das kurze Deutsche, sondern der lange Kanadische: sprich „ai“. Darüber gibt es natürlich SEHR viel zu erzählen, allein über die Geologie, aber ich werde mich hier nur auf ein paar Worte und Bilder beschränken.
Die Fälle haben ihren Ursprung nach der letzten Eiszeit vor ca. 12 000 Jahren und stürzten den Felsen bei Queenston in den Lake Iroquois (den heutigen Ontariosee) hinab. Damals waren sie schätzungsweise „nur“ 11 Meter hoch. Heute, an der Stelle wo sie sich durch die ungeheure Wassermassen 11,4 Kilometer zurückerodiert und den Niagara Gorge gebildet haben, sind sie inzwischen auf eine Höhe von 52 Meter gekommen.
Das Gestein unmittelbar an den Fällen selber ist mittelsilurischen Alters. Die oberste Schicht der Klippen bildet der Lockport Kalkstein, ein sehr kompaktes Gestein, das nur langsam erodiert und die Kante der Fälle bildet. Die darunter liegenden, weicheren tonig-schiefrigen Schichten verwittern schneller und es kommt dadurch gelegentlich zu Felsstürzen. Dann geht das ganze Spiel wieder von vorne los. Die Niagara Fälle verändern über die Jahre geologisch gesehen ganz rasch ihre Form. Vor 7-800 Jahren gab es nur einen, statt zwei Fälle. Goat Island spielte damals keine trennende Rolle. Nachdem die Wassermassen sich über die Kante gestürzt haben, fressen sie sich durch die Felsen, die den Boden des Niagara River bilden. Es kommen dadurch immer tiefere Schichten zum Vorschein, bis die Queenston Formation des obersten Ordoviziums beim Ontariosee erreicht wird. Dieses Gebiet ist nicht nur für Touristen, sondern auch für Geologen ein wahres Paradies! Hier sind ein paar Bilder, ohne weiteren Kommentar.


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Jetzt verabschiede ich mich mit dem bekannten kanadischen Spruch: See ya later, eh?

Roger


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Pointe au Baril. Georgian Bay. Kanadischer Schild.

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Lake Huron.