Weitere Staaten

Kanada: Das Paläozoikum Südwest Ontarios. Teil 2: Gamebridge

English abstract:

Gamebridge is located on the northeastern shores of Lake Simcoe, a few hundred kilometres north of Toronto, not far from the town of Orillia. A quarry run by the James Dick Company is on the outskirts of the town. One may request permission for collecting here at the administration office, otherwise it is not possible to gain entry.

The Ordovician layers exposed here belong to the Verulam Formation, which correspond to the internationally recognized Katian Stage. In this report, the author describes the stratigraphic conditions and presents a good cross section of the fauna which can be found here. Some of his own finds can be seen, but the majority of the photos have been supplied by collectors who have taken years to amass their very fine collections from here.

 

 

Diesmal möchte ich euch auf einen Ausflug ins Ordovizium mitnehmen. Wie im ersten Beitrag beschrieben, streichen diese Schichten auf einem breiten Streifen von der Georgian Bay über den Lake Simcoe schräg Richtung Südosten bis zum Ufer des Ontariosees aus.
 
 
Am nordöstlichen Ufer des Lake Simcoe liegt die kleine Ortschaft Gamebridge, wo am nördlichen Rand auf der Concession Road A die James Dick Quarry zu finden ist. Man erreicht sie am besten wenn man von Toronto aus die Autobahn 400 Richtung Barrie nimmt, von dort aus auf der Landesstraße 11 nach Orillia fährt und dann auf den Highway 12 Richtung Beaverton auffährt. Gamebridge und Brechin, eine andere Ortschaft wo gute Funde aus dem Ordovizium über viele Jahre getätigt worden sind, liegen auf dem Weg.
map(2)_1.png
 
Im Steinbruch wird Gestein aus dem Ober-Ordovizium hauptsächlich für Kies und Straßenschotter gewonnen. Es muss betont werden, dass das Sammeln nur mit vorheriger Anmeldung bei der Zentrale der Fa. James Dick möglich ist, wo nur der Geschäftsführer die Erlaubnis nach Unterschreiben eines Formulars erteilt. Früher konnte man auch in den Brüchen in Brechin und Umgebung sammeln, aber diese Tage sind leider vorbei. Sie haben in den vorangegangenen Jahren die Türen für Normalsammler in fast allen Steinbrüche geschlossen, was für mich jammerschade war, weil diese Steinbrüche als ich mit der Planung meiner Reise beschäftigt war, ganz oben auf meiner Besuchsliste standen. Besonders die Trilobiten- und Crinoiden-Funde aus diesen Schichten haben Weltrang erlangt und ich wollte sie hautnah erleben. Durch Kontakte zu den Kollegen in Kanada aber, habe ich eine Erlaubnis zum Sammeln in Gamebridge bekommen, so konnte ich mich dadurch mit meinem Schicksal abfinden und schließlich die dortigen Verhältnisse studieren.

P1020527.JPG

P1020528_1_.JPG
 
Die Internationale Kommission für Stratigraphie arbeitet fleißig an der Benennung und stratigraphischen und zeitlichen Einordnung der geologischen Schichten weltweit. Insbesondere die älteren paläozoischen und präkambrischen Stufen erfahren regelmäßig Umbenennungen. Zunehmend raffinierter werdende Methoden zur Erkennung der zeitlichen Einordnung führen auch regelmäßig zu Verschiebungen der Zeitverhältnisse. Nach dem aktuellen Stand (2009) gehören die älteren Bobcaygeon und die darauf liegende Verulam Formation der so genannten Simcoe Group in die Katian-Stufe, die ein relatives Alter von +/- 455-445 Millionen Jahren hat. Dies entspricht in etwa der alten Caradoc-Stufe.

In der James Dick Quarry ist die gesamte Verulam Formation aufgeschlossen. Sie setzt sich primär aus tonigen grob- und feinkörnigen Kalksteinen zusammen. 1-10 cm dicke schiefrige Tonlagen (shaly beds), die leicht verwittern, sind zwischen die Kalkstein-Bänke eingeschaltet. Hier sind die meisten gut erhaltenen Fossilien zu finden. Es wird vermutet, dass diese Faunen-Reste durch Sturmereignisse zusammengeschwemmt und abgelagert worden sind.

In dieser Darstellung werde ich auch Funde aus der Bobcaygeon Formation mit einbeziehen, denn die Fauna und die biostratigraphischen Verhältnisse aus beiden Schichten sind einander sehr ähnlich. Zur Zeit der Sedimentierung lag Südontario unter den Gewässern eines Schelfmeeres am Rande des Iapetus-Ozeans ca. 15-20° südlich des Äquators, wo subtropische Verhältnisse herrschten. Die Schichten der Bobcaygeon Formation wurden vermutlich näher an der Küste abgesetzt als diejenigen der Verulam Formation.

Wie man in den obigen Abbildungen sehen kann, ist dieser Bruch sehr weitläufig. Glücklicherweise dürften wir unsere Fahrzeuge benutzen und man kam auf diese Weise gut durch den Bruch.

P1020523.JPG
Mein Mietauto fühlte sich auch wohl hier.

P1020522.JPG
Wir fingen mit diesem frischgesprengten Material an.

IMGP5454.JPG
Auf frischer Tat ertappt.
 
Ich blieb einige Stunden bei diesem Haufen und habe mich dabei mit dem Gestein und seiner Beschaffenheit bekannt gemacht. Anschließend lief ich die untere Sohle ab und machte eine Tour mit meinem Auto nach oben. Die Funde, die nachfolgend dargestellt werden, sind durch Fotos aus den Sammlungen von Kollegen ergänzt worden, die seit vielen Jahren die Fundstellen im kanadischen Ordovizium aufsuchen. Die Bilder meiner bescheidenen Funde von dem Sammeltag werden dadurch vervollständigt. Mein Dank gilt dafür Kevin Kidd und Joe Koniecki.

P1020524.JPG
Typisches Bild: ein Brachiopoden Pflaster.

P1020526.JPG
Diesen Block mit Crinoiden ließ ich wegen seines hohen Gewichts liegen. Inzwischen bedaure ich die Entscheidung.

Brachiopoden sind allgegenwärtig. Hier ist ein exemplarischer Fund von der 3. Sohle:

P1020793.JPG
Die größeren heißen Rafinesquina alternata, unten rechts und oben mittig sind Sowerbyella sericea zu sehen, und die anderen kleineren heißen Paucicra rogata. Größe der Platte: 12 x 7 cm.

Jetzt einige Gastropoden:

P1020797.JPG
Hormotoma trentonensis (rechts), Fusispira nobilis (links) und zweimal Liospira vitruvia in der Bildmitte.

Die Bryozoen sind auch gut vertreten. Prasopora z.B., ist überall zu finden:

P1020811.JPG
Prasopora sp. von oben. Durchmesser 5 cm.

P1020809.JPG
Von unten.

P1020802.JPG
Mit Aufwuchs. Sie können alle möglichen Formen annehmen, von flach bis stark gewölbt.

P1020789.JPG
Dieses Exemplar könnte entweder Phyllodictya sp. oder Athrophragma sp. sein. Fund an der 3. Sohle, 5 cm breit.

P1020781.JPG
Stictopora sp. Länge 2 cm.

Diese Platte, wie auch die folgenden, stammt aus dem Haufwerk der unteren Sohle, und ist sehr typisch. Man kann die zusammengeschwemmten Reste von mindestens 15 Faunen-Arten darauf zählen:

P1020777.JPG
13 x 10 cm.

Wenn man genauer hinschaut, sieht man oben links und unten rechts sternförmige Gebilde, die Crinoiden-Kronenplatten darstellen:

P1020779.JPG
Carabocrinus ?vancortlandi. Durchmesser der Platten ca. 8 mm.

Hier ist ein Bild von einen vollständigen Krone:

wbcri17.jpg
Bobcaygeon Formation, Brechin. Länge 10cm. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Dieses Stängel-Teil habe ich auch gefunden:

P1020844.JPG
Länge 9,5 cm.

Er könnte von Praecupulocrinus oder Reteocrinus stammen, aber da bin ich mir überhaupt nicht sicher. Hier sind sie in ihrer voller Pracht aus Joes Sammlung abgebildet. Anschließend sind einige andere schöne Exemplare der Crinoiden Fauna zu sehen.

wbcri25.jpg
Praecupulocrinus conjugans. Die Krone ist ca 4cm. lang. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbcri62.jpg
Reteocrinus stellaris. Krone 4cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbcri22.jpg
Glyptocrinus ramulosus. Krone 15cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbcri27.jpg
Hybocrinus tumidus. 2,5cm. Verulam Formation, Gamebridge. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbcri2.jpg
Diabolocrinus sp. auf 25cm. breite Platte. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Untenstehenden Abbild zeigt eine von insgesamt 21 zusammenhängenden Platten, die aus der Bobcaygeon Formation in Brechin stammen. Es sind insgesamt 17 im Durchschnitt 8cm. messenden Kronen auf dieser einzigen Platte!

wbcri16a.jpg
Cupulocrinus humilis. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Die Echinodermata sind auch in diesen Schichten gut repräsentiert:

wbech4.jpg
Edrioasteroid  Edrioaster bigsbyi. 3cm. Verulam Formation, Gamebridge. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbech3a.jpg
Seestern Sternaster salterii. 3cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbech5a.jpg
Cystoiden  Glyptocystites multiporus. Bobcaygeon Formation, Brechin.
Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Jetzt sind für mich die eigentlich Hauptdarsteller dran: die Trilobiten. (Das ist natürlich aber Geschmacks Sache.) Kevin erzählte mir, dass oben auf der 2. Sohle ein großer Trilobiten Rest lag, den er wegen seiner Unvollständigkeit liegengelassen hat. Ob ich daran interessiert wäre? Und ob! Er schnitt das umgebende Gestein auch für mich mit seinen Benzinbetriebene Flex weg. Viele Sammler nehmen solche Werkzeug mit wegen der Härte des Gesteins und die Empfindlichkeit beim Bergen der Teile. Es fehlte der Cephalon, aber ich bin damit ganz zufrieden.

P1020773.JPG
Isotelus gigas. Vollständig wäre er 9 cm. lang. Der Abdruck des Hypostoms, ein Teil seines Mundwerkes, ist unten sichtbar.

Es folgen Teile des Tieres, die ich zuvor schon selbst im Haufwerk gefunden hatte:

P1020854.JPG
Links das Hypostom, rechts Teile vom Cranidium.

So sieht der Riese vollständig aus:

wbtrilo18.jpg
Länge 12cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Es liegen überhaupt unzählige Teile von den verschiedensten Trilobiten Arten auf diesen Platten, nur ein vollständiges Exemplar fiel mir an dem Tag nicht in die Hände, wie es anscheinend auch den erfahrenen Sammler an diese Stelle manchmal geht. Es war aber trotzdem interessant und auch eine kleine Herausforderung für mich, die gefundenen Teile zu bestimmen. Hier sind einige Beispiele:

P1020795.JPG
Durchmesser 3 cm. Das hier ist die Vorderteil von der Cephalon (Kopf) von Thaleops laurentia, wie man auf dem folgenden Foto erkennen kann.

med_gallery_77_48_194420.jpg
Kevin fand dieses Exemplar am gleichen Tag oben an der Brecheranlage. Sammlung & Foto: Kevin Kidd.

Das Hinterteil vom gleichen Tier habe ich auch gefunden:

P1020863.JPG
Breite 2,5 cm. Das Pygidium (Rumpf) sieht man auch deutlich im nächsten Bild.

wbtrilo30.jpg
Verulam Formation, Gamebridge. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Ich habe das Cephalon von Flexicalymene senaria in zwei gut erhaltenen Exemplaren gefunden:

P1020776.JPG
Außen. Breite 2,5cm.

P1020785.JPG
Innen.  Breite 2cm.

Hier ist jetzt ein vollständiger Fund eines eingerollten Flexicalymene aus Kevins Sammlung:

med_gallery_77_48_91713.jpg

Mein letztes Beispiel anhand eines Eigenfundes:

P1020778.JPG
Man sieht links unten zwei Gebilde, die sich an das große Cephalon von Thaelops laurentia in der Bildmitte anschmiegen. Unten ist ein Cephalon und oben ein Pygidium. Sie gehören beide den unten abgebildeten Trilobiten an.

wbtrilo21.jpg
Calyptaulax callicephalus. 4cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

Hier sind noch einige andere Trilobiten Arten aus Joes Sammlung abgebildet:

wbtrilo37.jpg
Ceraurus plattinensis. 5cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbtrilo38.jpg
Raymondites spiniger. 5cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.

wbtrilo5.jpg
Gabriceraurus dentatus. 10cm. Bobcaygeon Formation, Brechin. Sammlung & Foto: Joe Koniecki.
 
Irgendwann mal geht die Sonne unter, und meist zu früh für einen Sammler. Ich kann auch mit Kopflampe arbeiten, aber ich hatte noch 4 Stunden Fahrt zu meiner Unterkunft vor mir, so wusch ich den Staub in einer von den vielen Pfützen von Gesicht und Händen ab und machte mich auf dem Weg zum Auto. Ich merkte auf einmal, dass meine Brille nicht mehr auf meiner Nase war. Ach! Ich hatte sie bei der Pfütze liegengelassen. Ich entdeckte gleich zu meinem Entsetzen, dass ich auf meinem Weg zum Auto nicht nur auf den Kiesboden getreten war. Auwei! Die linke Linse war in Scherben und der rechte Bügel war abgebrochen. Das war eine abenteuerliche Fahrt auf fremden Straßen in der Dunkelheit - kann ich euch sagen! Gleich am nächsten Tag aber, hatte ich zwei nagelneue Brillen in der Hand, und spottbillig auch. Es gibt nicht nur Fastfood in Kanada!

Zum Schluss dieses Teils möchte ich mich noch mal bei den Sammlerkollegen Kevin Kidd und Joe Konieki für ihre Hilfe und auch für die Erlaubnis, ihre Abbildungen hier zu veröffentlichen, bedanken.

Liebe Grüße, Roger.


Alle Abbildungen, wenn nicht anders vermerkt:
Fotos & Sammlung Roger Furze.