Nordrhein-Westfalen

Oberkreide-Baustelle in Borchen

Auf einer Urlaubsreise von Bielefeld gen Franken entdeckte ich von der Autobahn aus in der Nähe von Paderborn eine interessant wirkende Baustelle. Schon von der Autobahn aus gesehen war nämlich erkennbar, dass einiges Aushubmaterial – weißliches Gestein – vorhanden war. Die Fahrt nach Franken wollten wir (meine Eltern und ich) natürlich nicht unterbrechen, merkten uns aber für die Rückreise die Abfahrt „Borchen“ vor, an welcher sich die Industriegebiet-Baustelle befindet, um wenigstens noch kurz zu prüfen, um Material welches Erdzeitalters es sich handelte.
Als wir auf der Rückreise am Spätnachmittag des 7. Oktobers im Industriegebiet von Borchen anlandeten, konnte die Frage um welche Schicht es sich handelt zumindest im Groben schnell geklärt werden. Denn die ersten Fossilfunde ließen nicht lange auf sich warten. Diese fand ich allerdings zunächst im Querbruch. Die ovale Form der Querbrüche legte bereits nahe, dass es sich um fragmentarische Seeigel handelt. Dies fand dann schnell Bestätigung durch Funde partiell freigewitterter weiterer Seeigel. Das in der Folge gesammelte Fundspektrum, von mir als Jurasammler in Richtung der in der „üblichen Verdächtigen“ Micraster und Echinocorys gedeutet, lässt vermuten, dass es sich um kreidezeitliche Ablagerungen (Oberkreide) handelt. Eine nähere Einordnung habe ich nicht vorgenommen beziehungsweise nicht ohne weiteres vornehmen können, da für mich jurassische Funde im Vordergrund stehen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf die temporäre Fundstelle aufmerksam machen, da ich hoffe, dass diese für den ein oder anderen Lokalsammler (obwohl diesen die Baustelle schwer entgangen sein könnte?) oder aber für auf das Kreide-Zeitalter spezialisierte Sammler aus dem Großraum Paderborn oder Durchreisende interessant sein könnte.
Sollte jemand in Folge meines Berichts die Fundstelle besuchen, so wäre ich wenn möglich um nähere Informationen zur Schicht in der wir uns befinden dankbar, auch und insbesondere zur Ergänzung dieses Berichts. Bilder von Funden – präpariert wie unpräpariert – füge ich auf Wunsch auch sehr gerne in den vorliegenden Bericht ein.
Als beachtlich fiel mir auf, dass das Gestein bereits direkt unterhalb der Ackerkrume anstand. Daher verwundert es auch nicht, dass viele Felder der Umgebung (auch das war von der Autobahn aus gut zu erkennen) regelrecht mit hochgepflügten Steinplatten übersät waren. Verhältnisse wie in der Fränkischen Schweiz (Hohenmirsberger Platte z.B.), nur eben kein Weißjura sondern Kreide! Ich könnte mir vorstellen, dass auf den Äckern durch günstige Umstände gut freigewitterte Seeigel zu finden sind. Dies ist jedoch nur eine These, die zu beweisen wäre. Der ein oder andere Sammler hat vielleicht bereits dort gesucht und gefunden und kann mehr dazu sagen?
Neben den recht zahlreich zu findenden (meistens kaputten!) Seeigeln der Gattung Micraster tritt nicht nur wie oben bereits angemerkt auch die Seeigelgattung Echinocorys auf, es kann zudem die Muschel Inoceramus gefunden werden. Darüber hinaus machte ich mehrere Funde, die ich als Korallen gedeutet habe. Insgesamt ist die großwüchsige Fauna jedoch artenarm, was bei nur etwa einer Stunde Sammeltätigkeit logischerweise auch eine Sammellücke sein kann.

Insgesamt gesehen kann ich dem Interessierten in der Nähe Wohnenden nur empfehlen mal vorbeizuschauen. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs (Sonntag, 7. Oktober) erschien die Baustelle wenig abgesucht. Da die Zeit etwas drängte und es schon langsam dunkel wurde, wurden die Fundmöglichkeiten durch unseren Besuch auch nicht erheblich dezimiert. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck dass die Stelle (trotz der guten Einsehbarkeit von der Autobahn her) bislang schon von Sammlern besucht wurde, da keine Fußspuren bzw. Schlagspuren (okay, diese sind auch nicht unbedingt nötig, man kann sich aufs Auflesen beschränken) zu sehen waren.


Abb.1: Die Lage der Fundstelle an der Autobahn 33 südlich von Paderborn.

borchen7.jpg
Abb.2: Diese Halde liegt unweit der Autobahnabfahrt und begegnet uns nach dem Abbiegen ins Industriegebiet als erstes. Sie avancierte somit für uns zum Versuchskaninchen und lieferte die ersten Funde.

borchen2.jpg
Abb. 3: Ovaler Querbruch, der eigentlich nur von einem Seeigel stammen kann.

borchen12.jpg
Abb. 4: Spätestens bei diesem partiell erhaltenen Seeigel hatten wir Gewissheit, dass es sich bei dem im Querbruch gefundenen Exemplar tatsächlich um einen Seeigel handelte und durften davon ausgehen, dass wir uns in der Kreide befinden.

borchen1.jpg
Abb. 5: Links vor dem Wald verläuft die A 33, rechts im Vordergrund ist Haldenmaterial zu sehen und dahinter Böschungsflächen mit anstehendem Material, wo natürlich nicht gegraben sondern allenfalls abgesammelt wird!

borchen4.jpg
Abb. 6: Ein recht großer Echinocorys - wesentlich seltener als Micraster, ein Einzelfund.

borchen6.jpg
Abb. 7: Ich vermute eine Koralle - liege ich richtig?

borchen3.jpg
Abb. 8: Eine Muschel die vermutlich zu Inoceramus zu stellen ist.

borchen9.jpg
Abb. 9: Und auch im weiter von der Autobahn entfernten Bereich gibt es einige Aushubhaufen, die gewiss den ein oder anderen Seeigel bergen.

borchen10.jpg
Abb. 10: Hier lässt sich gut erkennen, dass unter der Ackerkrume direkt Anstehendes Gestein ist. Auf Tiefbaumaßnahmen wie es bei tonigen schnell zu Lehm verwitternden Schichten der Fall ist, braucht man hier nicht zu warten.

borchen8.jpg
Abb. 11: Anstehendes ... in dem nicht gegraben werden darf, da es sich um eine fertige Böschung handelt!

borchen_mi.jpg
Abb. 12: Leider oberflächlich beschädigt ist dieser eigentlich schon recht schön aus dem bankigen Material freigewitterte Micraster.

borchen11.jpg
Abb. 13: Wenn die Schale da noch drauf wäre, wäre dieser Micraster ein schönes Sammlungsstück gewesen, so war er nur ein dankbares Fotoobjekt. Da selbst der Steinkern recht schön ist, durfte er trotz fehlender Schale mit nach Bielefeld.

Ich hoffe dem ein oder anderen mit dem aktuellen Tipp geholfen zu haben und freue mich gegebenenfalls über Resonanz!

Sönke Simonsen

Ergänzung vom 28. Oktober 2007:
Werner Müller teilte im Steinkern.de Forum mit, dass es sich bei den kreidezeitlichen Schichten genau genommen um Coniac handelt. Er hatte die Fundstelle vor längerer Zeit ebenfalls besucht und ebenfalls hauptsächlich Micraster, Echinocorys und Inoceramen gefunden. Es sollen vorwiegend Micraster brevis sein.
Werner verwies auf deutlich besser erhaltene Funde aus einem gar nicht so weit entfernten Steinbruch bei Erwitte, der von der Firma Spenner Zement GmbH & Co. KG betrieben wird. Genehmigungen werden erteilt. Die Kontaktdaten sind diesem Forenbeitrag zu entnehmen: Hier klicken.
Meiner Meinung nach sollte man Borchen trotzdem nicht schlicht abhaken, da es durchaus interessant sein könnte das Fundspektrum in diesen doch ein ganzes Stück auseinanderliegenden Aufschlüssen vergleichend zu betrachten.