Niedersachsen

Mikrofossilien aus den Aegocrioceras-Schichten der Tongrube Resse/Niedersachsen

Vielen Fossiliensammlern dürfte die Tongrube des Ziegeleiwerkes Hainholz bei Resse ein Begriff sein als Fundstelle wunderbar erhaltener heteromorpher Ammoniten. Leider wurde die Produktion vor kurzem aufgrund mangelnder Rentabilität eingestellt.
Wie in den meisten Tongruben sind auch hier die frei im Ton liegenden Ammoniten oft  schlecht erhalten. Innerhalb des Tons finden sich jedoch mehrere Lagen mit kleinen oder auch größeren Konkretionen, und in diesen stecken vollständig erhaltene Fossilien. Auf  STEINKERN.de kann man im Forum zahlreiche Beispiele von aus den Knollen herauspräparierten Ammoniten sowie eine Auswahl an sonstigen Makrofossilien bewundern.
Insgesamt ist die Makrofauna der Grube nicht besonders divers. Neben den allgegenwärtigen Ammoniten und Belemniten finden sich noch einige Muschel- und Schneckenarten sowie hin und wieder Krebsreste, Zähne von Haien und Saurierknochen.

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Abb. 1: Tongrube des Ziegeleiwerkes Hainholz bei Resse, Stand Juni 2007
(Foto: Walter Keller)

Eine deutlich größere Zahl an Arten bekommt man zusammen, wenn man sich auch der Mikrofauna zuwendet. 2007 waren gute Freunde von mir zusammen mit dem Arbeitskreis Paläontologie Hannover auf Ammonitensuche in der Grube unterwegs, und wie üblich wurden sie von mir beauftragt, mir einige Schlämmproben mitzubringen, was sie ebenfalls wie üblich gerne und zuverlässig taten (an dieser Stelle nochmals vielen Dank an Irene, Walter und Christian). Die Proben erbrachten eine interessante und gut erhaltene Mikrofauna, über die ich im Folgenden berichten möchte.


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Abb. 2: Stratigraphische Übersicht der Unterkreide, rechts das Alter in Millionen Jahren (nach der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland 2002)

Stratigraphie:

Die Grube erschließt Schichten des unteren Ober-Hauterivium, genauer die Aegocrioceras-Schichten und die Simbirskites staffi-Ammonitenzone (Mutterlose & Wiedenroth 1995).
Die relativ einheitliche Abfolge der Tone wird mehrfach von Lagen mit den begehrten, ammonitenhaltigen Knollen unterbrochen. Diese Knollenlagen werden mit geraden Nummern bezeichnet, die Tonschichten dazwischen mit ungeraden (Abb. 3). Die von mir bearbeiteten Proben stammen aus den Knollenlagen 90, 94 und 96, die alle drei zu den Aegogrioceras-Schichten gehören.

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Abb. 3: Schichtenfolge der Tongrube Resse (nach Mutterlose & Wiedenroth 1995), Schicht 90 konnte für dieses Profil abbaubedingt noch nicht berücksichtigt werden

Paläogeographie:

Während der Unterkreide waren weite Teile von Norddeutschland vom Meer bedeckt. Hannover lag zu dieser Zeit im Ostteil des Niedersächsischen Beckens, einem Nebenmeer, welches durch die nördlich gelegene Pompekj`sche Schwelle sowie die nordöstliche Ostholsteinisch-Nordmecklenburgische Schwelle weitgehend vom borealen Meer (im Bereich der heutigen Nordsee) getrennt war.
Im Unter-Hauterivium wurden diese Schwellen teilweise überflutet; insbesondere von der Pompekj`schen Schwelle blieben nur eine Reihe von Inseln übrig. Das Niedersächsische Becken war während der gesamten Zeit ein wichtiger Ablagerungsraum. Während im zentralen Teil im tieferen Wasser dunkle Tone abgelagert wurden trifft man im Ostteil aufgrund von Flachwasserbedingungen geringmächtigere hellere Tone und Mergel an, oftmals mit Toneisensteinlagen oder Kalkkonkretionen wie in Resse (Schott 1969, Mutterlose 1984).

Abb4PalaeogeographieHauteriviumNordwestdeutschland.JPG
Abb. 4: Paläogeographische Karte von Nordwestdeutschland während des Hauteriviums (nach Schott 1969, Mutterlose 1984)

Bearbeitung:

Die Tonproben wurden nach gründlichem Trocknen mechanisch (d. h. mit dem Hammer) auf Zentimetergröße zerkleinert und dann mit Natriumpercarbonat und warmem Wasser angesetzt (Rötzer 2005). Nach einigen Stunden war das Material zerfallen und konnte durch ein 63-µm Sieb geschlämmt werden. Nach dem Trocknen wurden die Rückstände dann noch mit einem 250 µm-Sieb in je zwei Fraktionen aufgeteilt. Die gröbere Fraktion wurde jeweils vollständig ausgelesen. Von der feineren wurden nur einige Ausleseschalen durchgesehen, da hier nur wenige Mikrofossilien enthalten waren.
Das Material aus Schicht 96 wurde sortiert und die isolierten Fossilien in einer Plummer-Zelle aufgeklebt. Bei den beiden übrigen Proben wurde auf ein Sortieren verzichtet, da bis auf wenige Ausnahmen keine weiteren Arten enthalten waren.

Ergebnis:

Schicht 96 erwies sich als besonders reich an Mikrofossilien, sowohl bezüglich der Arten- als auch der Individuenzahl. Dominant waren hier eindeutig die Foraminiferen. Daneben konnten einige wenige Ostracoden, Schlangensternreste, Fischzähne, Fanghaken von Kopffüßern (? Belemniten) sowie Muscheln und Schnecken gefunden werden, letztere meist als Pyritsteinkerne.
Schicht 94 enthielt deutlich weniger Mikrofossilien, wobei in der Zusammensetzung der Fauna aber keine größeren Unterschiede im Vergleich zu Schicht 96 zu erkennen waren. Jedoch konnte eine vergleichbare Zahl an Muschel- und Schneckensteinkernen gefunden werden sowie ein winziger, leider beschädigter Haizahn.
Schicht 90 schließlich lieferte zwar ebenfalls einige Mollusken, jedoch nur noch sehr wenige Foraminiferen und keine sonstigen Mikrofossilien.

Fische:

Fische sind in den Proben nur sehr selten enthalten. Insgesamt konnten nur zwei Zahnspitzen von unbestimmten Knochenfischen sowie ein unvollständiger Zahn eines Engelhais gefunden werden.

Cephalopoden:

Von Kopffüßern, die mit Ammoniten und Belemniten die Masse der Makrofossilien der Grube stellen konnten in den Proben vereinzelt Fanghaken gefunden werden, vermutlich von Belemniten.

Abb5_FischeTintenfischeHauteriviumResse.jpg
Abb. 5: Fische, Kopffüßer
1: Zahn Squatina sp. (Engelhai), Maßstab 0,5 mm, Inv.-Nr. CN-KrBa02
2-3: Schmelzkappen von Knochenfischen, Maßstab 0,2 mm, Inv.-Nr. CN-KrBa01-9-1, -2
4-6: Fanghaken von ? Belemniten, Maßstab 0,5 mm, Inv.-Nr. CN-KrBa01-6-2, -3 ,-1

Mollusken:

In der etwas gröberen Fraktion waren in allen Schlämmrückständen zahlreiche Muscheln und Schnecken enthalten, wobei die Aragonitschaler überwiegend nur als Pyritsteinkerne vorlagen. Nur einige wenige kleine Turmschnecken zeigten noch Reste der Schale (? umgewandelt). Calcitschaler sind lediglich durch eine kleine Auster in Schalenerhaltung belegt. Insgesamt sind die Mollusken nach den Foraminiferen die zweithäufigste Gruppe in den Proben.

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Abb. 6: Muscheln, Schnecken; Maßstab, wenn nicht anders angegeben, 0,5 mm
1: ? Lucinacea , unvollständiger Pyritsteinkern, Maßstab 2mm, Inv.-Nr. CN-KrBa03
2: Thracia phillipsi ROEMER 1841, Pyritsteinkern, Inv.-Nr. CN-KrBa01-5
3: Thracia phillipsi ROEMER 1841, Pyritsteinkern, Inv.-Nr. CN-KrBa04
4: cf. Ostrea sp., Schalenerhaltung, Inv.-Nr. CN-KrBa01-4
5: unbestimmte Schnecke, Pyritsteinkern mit Schalenresten, Inv.-Nr. CN-KrBa05
6: unbestimmte Schnecke, Pyritsteinkern mit Schalenresten, Inv.-Nr. CN-KrBa06
7: unbestimmte Schnecke, Pyritsteinkern, Inv.-Nr. CN-KrBa07
8: unbestimmte Schnecke, Pyritsteinkern, Inv.-Nr. CN-KrBa01-1
9: unbestimmte Schnecke, Pyritsteinkern, Inv.-Nr. CN-KrBa01-2-1


Echinodermaten:

Stachelhäuter gehören bei den Makrofossilien zu den größten Raritäten in Resse. In der Literatur werden lediglich als sehr seltene Funde Stielteile einer Seelilie erwähnt (Frerichs 2004).
Die einzigen in den Schlämmproben gefundenen Stachelhäuterreste sind verschiedene Skelettelemente von kleinen Schlangensternen.

Abb7_OphiuroideaHauteriviumResse.jpg
Abb. 7: Schlangensterne (Ophiuroidea); Maßstab 0,2 mm
1-3: Armwirbel (Ambulakralwirbel), Inv.-Nr. CN-KrBa01-8-1, -3, -4
4-7: Randplatten (Lateralia), Inv.-Nr. CN-KrBa01-7-4, -1, -3, -5

Ostracoden:

Muschelkrebse waren in den Proben nur mit wenigen Individuen enthalten, die zudem fast ausschließlich zu nur einer Gattung gehören (? Cytheridea). Daneben konnten von zwei weiteren Gattungen jeweils ein einzelnes Exemplar gefunden werden.

Abb8_OstracodenHauteriviumResse.jpg
Abb. 8: Ostracoden; Maßstab 0,2 mm
1: unbestimmte Ostracode, Inv.-Nr. CN-KrBa01-36
2: ? Cytheridea sp., Inv.-Nr. CN-KrBa01-35
3: Protocythere frankei TRIEBEL 1938, beschädigte Klappe, Inv.-Nr. CN-KrBa01-34


Foraminiferen:

Bei den Foraminiferen überwiegen verschiedene Vertreter der Nodosariaceen, wobei die Gattung Lenticulina in allen Proben die Masse an Individuen stellt. Es sind jedoch auch noch zahlreiche andere Gattungen zu beobachten. Insbesondere die Gattung Laevidentalina ist mit verschiedenen Arten vertreten, eine genaue Bestimmung ist jedoch schwierig. Daneben sind verschiedene Arten von Sandschalern enthalten, wobei die meisten Individuen zu den Gattungen Ammodiscus und Glomospira gehören, während mehrkammerige Formen wie z.B. Verneulina deutlich zurücktreten.

Abb9Foraminiferen1HauteriviumResse.jpg
Abb. 9: Foraminiferen 1; Maßstab 0,2 mm
1: Haplophragmoides nonionoides (REUSS 1863), Inv.-Nr. CN-KrBa01-31
2: ? Ammodiscus gaultinus BERTHELIN 1880, Inv.-Nr. CN-KrBa01-32-3
3: Ammodiscus gaultinus BERTHELIN 1880, Inv.-Nr. CN-KrBa01-32-1
4: Glomospira sp., Inv.-Nr. CN-KrBa01-33-2
5: Glomospira sp., Inv.-Nr. CN-KrBa01-33-3
6: Glomospira sp., Inv.-Nr. CN-KrBa01-32-4
7: unbestimmte Foraminifere, Inv.-Nr. CN-KrBa01-28

Abb10_Foraminiferen2HauteriviumResse.jpg
Abb. 10: Foraminiferen 2; Maßstab 0,2 mm
1: Verneulina sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-30-1
2: Verneulina sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-30-2
3: Ammobaculites sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-27
4: ? Verneulina sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-29
5: ? Lingulonodosaria nodosaria (REUSS 1863), Inv-Nr. CN-KrBa01-22
6: ? Astacolus sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-25

Abb11_Foraminiferen3HauteriviumResse.jpg
Abb. 11: Foraminiferen 3; Maßstab 0,2 mm
1: Astacolus linearis (REUSS 1863), Inv-Nr. CN-KrBa01-19
2: cf. Astacolus sp. , Inv-Nr. CN-KrBa01-18
3: Laevidentalina sp. , Inv-Nr. CN-KrBa01-17-2
4: Laevidentalina sp. , Inv-Nr. CN-KrBa01-17-1
5: Laevidentalina sp. , Inv-Nr. CN-KrBa01-26
6: Pyramidulina bactroides (REUSS 1863) , Inv-Nr. CN-KrBa01-16

Abb12Foraminiferen4HauteriviumResse.jpg
Abb. 12: Foraminiferen 4; Maßstab 0,2 mm
1: Lenticulina sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-13-1
2: Lenticulina sp., Inv-Nr. CN-KrBa01-13-3
3: Marginulinopsis cf. jonesi (REUSS 1863), Inv-Nr. CN-KrBa01-14-2
4: Marginulinopsis cf. jonesi (REUSS 1863), Inv-Nr. CN-KrBa01-14-1
5: Marginulina pyramidalis (KOCH 1851), Inv-Nr. CN-KrBa01-15-2
6: Marginulina pyramidalis (KOCH 1851), Inv-Nr. CN-KrBa01-15-3
7: Marginulina pyramidalis (KOCH 1851), Inv-Nr. CN-KrBa01-15-1


Abb13_Foraminiferen5HauteriviumResse.jpg
Abb. 13: Foraminiferen 5; Maßstab 0,5 mm
1: Frondicularia concinna KOCH 1851, Inv.-Nr. CN-KrBa01-10-1
2: Frondicularia concinna KOCH 1851, juvenil, Inv.-Nr. CN-KrBa01-10-2
3: Frondicularia concinna KOCH 1851, juvenil, Inv.-Nr. CN-KrBa01-10-3
4: Citharina harpa (ROEMER 1841), Inv-Nr. CN-KrBa01-11-1
5: Citharina harpa (ROEMER 1841), Inv-Nr. CN-KrBa01-11-2
6: Citharina harpa (ROEMER 1841), juvenil, Inv-Nr. CN-KrBa01-12-1
7: Citharina harpa (ROEMER 1841), juvenil, Inv-Nr. CN-KrBa01-12-2

Ich danke Irene, Walter und Christian Keller für die mitgebrachten Proben und das zur Verfügung gestellte Grubenfoto sowie Thomas Schindler für Hinweise zur Bestimmung der Fischreste.

Alle Fossilien Sammlung Nungesser
Fotos und Zeichnungen wenn nicht anders angegeben Kai Nungesser

Links:
(auf STEINKERN.de sind im Forum zahlreiche Berichte zu den Fossilien der Grube Resse erschienen, diese Liste enthält nur eine kurze Auswahl)

http://www.ap-h.de/resse.html

http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=4346&highlight=resse

http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=4491&highlight=resse

http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=3880&highlight=resse


Literatur:

Buschschlüter, Uwe (2005): Die Tongrube von Resse – STEINKERN.de, Fundorte, Niedersachsen, 11 Abb.

Frerichs, Udo (2001): Die Tongrube Resse – mehr als nur Ammoniten. – Arbeitskreis Paläontologie Hannover 29 (3), S. 61-75, 27 Abb., Hannover

Frerichs, Udo (2004): Die Tongrube Resse – mehr als nur Ammoniten, Teil II. – Arbeitskreis Paläontologie Hannover 32 (2), S. 40-47, 13 Abb.

Frerichs, Udo (2006): Neufunde aus der Tongrube Resse. – Arbeitskreis Paläontologie Hannover 34 (4), S. 119-127, 9 Abb.

Hecht, Franz E. (1938): Standard-Gliederung der Nordwest-deutschen Unterkreide nach Foraminiferen. – Abhandlungen der senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 443, S. 1-42 + 24 Taf., 4 Tab., Frankfurt a. Main

Meyn, Helen (1991): Taxonomische Revision von Nodosariacea (Foram.) der Unterkreide SE-Niedersachsens. – Dissertation Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 159 S. + 32 Taf., 8 Abb., 6 Tab., Braunschweig

Mutterlose, Jörg (1984): Die Unterkreide-Aufschlüsse (Valangin-Alb) im Raum Hannover-Braunschweig. – Mitteilungen aus dem geologischen Institut der Universität Hannover 24, 61 S., 1 Taf., 25 Abb., 1 Tab., Hannover

Mutterlose, Jörg & Wiedenroth, Kurt (1995): Die Bio- und Lithofazies der Unterkreide (Hauterive bis Apt) in NW-Deutschland. – Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen E 16, S. 227-253, 3 Taf., 12 Abb., Berlin

Rötzer, Michael (2005): Aufschluss von Mergeln mit Percarbonat. -  LEITFOSSIL.de, Präparation, 1 S.

Schott, Wolfgang (1969): Erläuterungen Paläogeographischer Atlas der Unterkreide von Nordwestdeutschland. – 315 S., 18 Abb., Hannover

Vespermann, Jürgen (1992): Revision von Foraminiferen der Unterkreide SE-Niedersachsens nach ROEMER 1841, 1842, KOCH 1851 und REUSS 1863. – Dissertation Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 147 S. + 34 Taf., 10 Abb., 6 Tab., Braunschweig