Österreich

Die Stufe des Tuval in den Hallstätter Kalken

Liebe Steinkerne!

In diesem Bericht möchte ich euch die Stufe des Tuval (Oberkarn/Obertrias) in den Hallstätter Kalken (Zonenschema) näher vorstellen.

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Abb. 1: Blick über das Hallein-Berchtesgadener Triasgebiet auf den Watzmann und Hochkalter bei Föhnwetterlage.

Benannt wurde die Stufe, von Altmeister Mojsisovics, nach dem mittelalterlichen Namen des Bergrückens/Salzbergbaugebietes zwischen Salzach und Königseeache im Berchtesgadener Land (= Grenzgebiet zwischen Salzburg und Bayern). Ursprünglich wahrscheinlich römischen Ursprungs (Mons Tuval) hat sich dieser Ortsname bis heute teilweise erhalten (z.B. Ruine der Burg Tuval).

Kennzeichnend für die Stufe des Tuval sind die Ammoniten der Familie Tropitidae (Mojsisovics 1875). Typische Genera davon sind z.B. Discotropites, Gymnotropites, Margaritropites, Paratropites, Pleurotropites, Tropites
Zur Familie gehören noch etliche andere Genera, welche ich der Einfachheit halber hier nicht aufzählen will.

Stellvertretend für die Familie der Tropiditae hier die Abbildung des Leitammoniten der subbullatus Zone =Tuval II; aus „Mojsisovic, Das Gebirge um Hallstatt,1893, Taf. CVI,“

Tropites subbullatus (Fr. v. Hauer) 1849

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Abb. 2: Scan aus der bei Oskar Irnstorfer erhältlichen CD (empfehlenswert für alle die sich verstärkt mit den Ammoniten der Hallstätter Kalke beschäftigen wollen).


Zoneneinteilung des Tuval

In der nordamerikanischen Triasliteratur (nach Tozer) wird das Tuval in die Dilleri-Zone, Welleri-Zone und Macrolobatus-Zone unterteilt.

Demgegenüber steht im Hallstätter Fazies Raum die derzeit gültige Einteilung in:

Dilleri-Zone = Tuval I (bislang laut Literatur nicht bzw. nur in Teilen nachgewiesen),  Subbulatus-Zone = Tuval II (entspricht in etwa der nordam. welleri Zone) und die
Anatropites-Zone = Tuval III (entspricht in Teilen etwa der nordam. macrolobatus Zone).

Also kommen in den Alpen praktisch nur zwei Zonen vor bzw. es sind nur zwei Zonen zu erkennen. Man darf sich allerdings die Frage stellen ob nicht alle drei nordamerikanischen Zonen in den beiden alpinen Zonen (Tuval II+III) enthalten sind. Zumindest was den entsprechenden Zeitraum betrifft.

Es spricht (meiner Meinung nach) wenig für eine zeitliche Schichtlücke im unteren Tuval in den Hallstätter Kalken. Stärkere Kondensationserscheinungen (in den ohnehin kondensierten Kalken) treten vermehrt im obersten Tuval 3 auf.

Schwierig ist es sowieso eine genaue zeitliche Einordnung von Tuvalfaunen zu treffen. Erkennbar wird Tuval 1 bei uns wahrscheinlich nur durch die Zusammensetzung der Faunen in den entsprechenden Fossillinsen sein.
So finden sich in manchen Linsen/Spalten überdurchschnittlich häufig Trachysagenites sp.Sagenites inermis, Sandlingites sp. zusammen mit vereinzelten Tropites sp. mit Sirenites sp. sowie mit seltenen Protrachyceras cf. thyrae.
Deshalb erscheint es mir wichtig bei einer Tuvalfauna einen Gesamteindruck der Fauna aus einer Linse/Spalte zu erhalten. Dies geschieht indem man eine genaue Fossilliste anfertigt oder - noch besser - indem man so viele Ammoniten wie möglich aus einem Block herauspräpariert und (wichtig) am Block belässt. So kann man auch später noch eventuelle Irrtümer feststellen und die Ablagerungsbedingungen im Inneren des Blockes beobachten. Natürlich sollte man Hangend- und Liegendseite festhalten, soweit feststellbar. So lässt sich auch an kleineren Stücken z.B. eine strömungsbedingte Einregelung erkennen.

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Abb. 3: Ein Bereich mit gehäuften Eingeregelten Pamphagosirenites sp. (Tuval 2) auf einer kleinen Stufe (6 cm) die auf eine chaotische Lage (Rückseite der Stufe) folgt.

Der Übergang (belegt durch Ammoniten) vom Tuval ins Lac, sprich die Karn/Nor-Grenze ist bislang nur an einer einzigen Stelle in den Hallstätter Kalken wissenschaftlich nachgewiesen und beschrieben worden.
Dieses “Schicht Profil“ einer Tuvalfauna mit überlagerndem Unternor stammt vom Feuerkogel. Dort ist auch der untere Übergang vom Jul ins Tuval (Dilleri-Zone) fraglich, teilweise enthalten und mit Ammoniten belegbar.

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Abb. 4: Foto einer weiteren Karn-Nor Grenze (Tuval-Lac Übergang). Zwischen Tuval (Karn) und Nor befindet sich eine unregelmäßige Vererzung (= extremer Kondensationshorizont). Daher sind das oberste Tuval 3 und das unterste Nor mit Makrofossilien hier nicht nachweisbar.

Die Wand besteht aus Graukalk, der, in diesem Gebiet, im Hangenden der Aonoides/Austriacum-Zone einsetzt. Vereinzelt finden sich Ammonitenlinsen in diesem Graukalk die auf tieferes Tuval hindeuten. Im Bereich des Bildes, der mit Tuval markiert ist herrscht ein Schichtfallen wie im Nor ersichtlich. Es ist eine Schichtfolge aus wechselnd dicken Bänken zu erkennen, die vom Wandfuß bis zur mit Nor markierten Stelle reicht. Die Lithologie dieser Schichten kann man als teils als grobspatigen, biogenführenden Kalk ansprechen. Zum Teil auch als Muschelbänke. Es handelt sich hier meines Erachtens um keine Spaltenfüllung sondern um eine großflächige Mulde/Linse im Schichtverband.

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Abb. 5: Discotropites plinii aus dem Tuval III des oben gezeigten Karn/Nor Überganges


Es gibt/gab vier klassische Lokalitäten für das Tuval in den Hallstätter Kalken.

Das sind:

Die historischen Fundstellen am Millibrunnkogel/Vordersandling, die historische Tropites-Fundstelle am Raschberg und das „Tuval“ um Hallein/Berchtesgaden.

Als letzte neu entdeckte Fundstelle (am Beginn des 20 Jh.) kam die Tropites-Fundstelle auf der Feuerkogelostseite hinzu, welche aber schon seit Jahrzehnten unter strengem Naturschutz steht und nicht mehr aufgeschlossen ist. Gleiches gilt für alle anderen historischen Fundstellen dort.

In den gut über hundert Jahren der Triasforschung in den Kalkalpen ist somit keine neue Fundstelle dazugekommen. Allein daran kann man erkennen wie höchst selten Ammoniten führendes Tuval in den Hallstätter Kalken vorkommt.

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Abb. 6: Belegstück vom Vordersandling: Größe der eingelagerten Tropites sp. rund 1 cm

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Abb. 7: Belegstück vom Raschberg. Größe der Schalenbruchteile rund 2 cm

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Abb. 8: Block mit Tuvalfauna, Hallein/Berchtesgaden. Größe des Pinacoceras rex links am Block 5 cm.



Liegende Schichtglieder des Tuval

Nach den julischen Schichtlagerstätten/Linsen der Aonoides- und Austriacum-Zone folgt mit dem Tuval ein markanter Faunenschnitt bei den Ammoniten. Es erlöschen im obersten Jul fast alle das Jul dominierenden Ammoniten Genera. Im darauf folgenden Tuval erscheinen an die 20 Genera neu. Auslöser dieses Faunenschnittes dürfte im Tethysraum das Reingraben Event (Carnian Pluvial Event) im obersten Jul gewesen sein. In Schwellenzonen mit Hallstätter Kalken entstanden rund um dieses Ereignis die Schichtlagerstätten der Aonoides- und Austriacum-Zone. Ein möglicher (wird kontrovers diskutiert) Temperaturanstieg der Wassersäule im Schelfbereich am Ende des CPE gab dann den letzten Ausschlag für den Faunenwandel.
Als letzte Subzone, sozusagen mitten im Faunenwandel, folgt im obersten Jul noch der „Sirenites Horizont“(Sirenites-Subzone) der jedoch sehr schwierig nachzuweisen ist.   

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Abb. 9: Sirenites sp., 2 cm, aus Hallstätter Kalken des Übergangsbereiches vom Jul ins Tuval.

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Abb. 10: Brekziöser Schicht-Block mit Spalte/Linse aus dem diese Fauna stammt. Man erkennt, dass dieses Gestein in halb verfestigtem Zustand in Bewegung geraten war.

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Abb. 11: Stufe, 10 cm, aus demselben Schichtbereich. Neben häufigen Sirenites sp. und Arcestes sp. sind noch Megaphyllites sp., Neoprotrachyceras sp. und Sibyllites sp. auf dem Stück zu erkennen. Sibyllites wird als möglicher Tropites-Vorläufer Kandidat betrachtet.

In einem ebenfalls gestörten Kalk, liegend dieser oben erwähnten Julkalke, konnte ich eine Spalte vorfinden die eine klassische Julfauna enthielt. Auffällig war jedoch ein deutliches Übergewicht an Arcestiden, was sie von den schichtig abgelagerten Linsen der Aonoides-/Austriacum-Zone unterschied. In der ist normalerweise Joannites die dominierende glattschalige Gattung.  

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Abb. 12: Sageceras haidingeri aus oben erwähnter Jul Fundstelle mit  dem Übergewicht an Arcestes.


Zum Tuval
 
In alter Literatur wird teilweise von den Schichten mit Tropites subbullatus (Fasslschichten, nach dem fassförmigen Aussehen von Tropiteskernen) gesprochen, was auch meinen eigenen Beobachtungen sehr nahe kommt.

Sofern Ammoniten führend  handelt es sich fast immer um dieselbe Lithologie des Umgebungsgesteins.
Ein wenige Meter mächtiger Gesteinsverband mit Muschelbänken und grobspatigem biogenführenden Kalk, darin eingelagert, zum Teil mikritisch verfüllte Linsen/Spalten mit Tuvalfauna. Eingelagert ist das Ganze meist in einem zum Teil sehr unterschiedlich gebankten Graukalk bis Rotkalk.
Je nach Niveau der Linsen oder Spaltenfüllungen in diesem Gesteinsverband unterscheiden sich die darin enthaltenen Ammonitenfaunen immer ein wenig. Generell sind die Ammoniten darin meist kleinwüchsig und von eher kugeligem Habitus. Daher ist es schwer zu unterscheiden ob man eine wirkliche Spaltenfüllung oder eine Zusammenschwemmung in einer Mulde/Linse (wegen des linsenförmigen seitlichen Auskeilens solcher Ammonitenlagen) des Meeresbodens vor sich hat.

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Abb. 13: Stück aus einer „Spalte“ mit Trachysagenites erinaceus.


So Mancher wird sich fragen wo denn da der Unterschied liegt? Der wesentliche Punkt ist, dass man bei einer Linse noch eine annähernde Schichtabfolge erkennen kann, in welcher Schicht diese „Linse“ (Zusammenschwemmung) eingebettet ist. In einer Spalte, die oft tief in zuvor abgelagerte Schichten greift, ist dieser Verband aufgehoben. Naturgemäß gibt es daher auch sämtliche erdenklichen Übergänge von Spalten zu Linsen in allen möglichen Größen. Deshalb ist es auch immer eine etwas persönliche Einschätzung eines Autors, was als Spalte oder Linse angesehen wird. In Sturzblöcken ist es ohnehin fast nicht mehr feststellbar ob eingelagerte Ammonitennester einer Spalte oder Linse entstammen, da meist kein seitlicher Übergang vorhanden ist

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Abb. 14: Tuval Sturzblock: Spalte oder Linse?


Selten gibt es auch relativ schichtig abgelagertes Tuval (Feuerkogel). Die Ammoniten darin sind meist größer und oft mit Wohnkammer erhalten. Das für andere Tuval Fundstellen so typische „Kleinzeugs“ fehlt an solchen Stellen.
Entscheidend dafür, was, wie und wo vor über 200 Millionen Jahren im Tethys Ozean abgelagert wurde, war die Strömung und Geländebeschaffenheit des Meeresbodens. Auch am nächsten Bild erkennt man eine Einregelung  wenn man genau hinschaut. Es zeigen fast alle Mündungen der Ammoniten nach unten und der gestreckte Cephalopode markiert in etwa die Richtung aus der die Strömung kam

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Abb. 15: Untypisches Tuval mit Tropites torquillus (großer Ammonit) aus einer Linse bzw. Schicht Fundstelle - von der Liegendseite her präpariert. Die sonst so hohen Biogenanteile im Matrixgestein des Tuval fehlen hier. Die auf dem Bild gezeigten Ammoniten sind fast bis zur Hälfte der Rückseite aufgelöst worden und liegen in einem stark kondensierten Schichtpaket vor, das nach einigen Metern seitlich auskeilt. Lagenweise kommen extrem viele Crinoiden-Stielglieder darin vor, die in anderen Tuvalstellen relativ selten anzutreffen sind. Auch sind die Ammoniten, im Gegensatz zu den Tuval Schillkalken, hier meist mit Wohnkammer erhalten.

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Abb. 16: Matrixbrocken der oben genannten Fundstelle mit herausragender Windung eines Ammoniten.
 
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Abb. 17: Tuval Handstück mit juvenilem Discotropites sandlingense (2 cm) aus typischen Tuval-Schillkalken


Wie kommt man zu den historischen Fundstellen?

Die Fundstellen Recherche in alter historischer Literatur hat ihren eigenen Reiz. Wenn man auf Grund eigener Nachforschungen solche Stellen dann auch findet, freut man sich besonders. Die historische Fundstelle am Raschberg habe ich so vor einigen Jahren für mich entdeckt. Damals nur mehr erkennbar an einem kleinen, fast verfüllten, total verwachsenen, Graben der (mit viel Fantasie) künstlich entstanden war. Da jedoch das Umgebungsgestein gepasst hat, habe ich dann doch genauer nachgesehen.  Irgendwie wird für mich durch solche Erlebnisse die Vergangenheit wieder ein wenig lebendig. Nebenbei gewinnt man dabei enorm an Wissen und Erfahrung dazu.

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Abb. 18: Altes, von Hand geschlagenes, Bohrloch an einer historischen Tuval-Fundstelle. Erkennbar an dem nicht runden Querschnitt, der durch das händische Hin-und-her-Drehen des Meißels während des Schlagens entsteht.


Fundmöglichkeiten für kleinere Belegstücke sind an den historischen Fundstellen (bei mehreren Besuchen dort) auch heute noch gegeben. Vorausgesetzt man hat gute Ortskenntnis und nimmt die, zum Teil, stundenlangen Anmarschwege in Kauf.
Als wichtigste Regel beim Sammeln in den Hallstätter Kalken gilt, dass es keine Regel gibt.
Fast alles ist möglich. So kann das gesamte Tuval an einer Stelle nur wenige Meter mächtig sein und etwas weiter entfernt enorm anschwellen. Fossilführende Schichten zu verfolgen erweist sich auf längere Distanz als unmöglich. Anschwellen und auskeilen einzelner Schichten auch auf kürzeste Distanz ist der Regelfall. Ein Normalprofil der Hallstätter Kalke gibt es eigentlich nur als Idealprofil auf dem Papier. Zu kleinräumig und unterschiedlich war das Paläo-Relief dieses Ablagerungsraums um über große Distanzen eine einheitliche Gesteinsabfolge zu schaffen.

Ich hoffe euch einen kleinen Einblick in meine „Welt“ gegeben zu haben und nicht allzu sehr ins Detail abgedriftet zu sein.

Freundliche Grüße an alle Steinkerne von

„Steinspatz“

Andreas Spatzenegger