Für Sammelanfänger

Paläontologische Altersbestimmung

 

Wer sich mit Fossilien beschäftigt, der kommt schnell zu der scheinbar zentralen Frage:

Wie alt ist dieses Fossil oder wie alt sind diese Gesteine?

Stellt man die Frage einem Paläontologen, dann wird er vermutlich antworten:

Das ist nicht wirklich von Bedeutung. Bei geologischen Altersangaben kommt es auf das absolute Alter in Jahren nicht so sehr an und eine Million Jahre mehr oder weniger spielen auch nicht wirklich eine Rolle. 

Man ist erst einmal irritiert, gibt sich aber nach weiteren Erläuterungen mit der Antwort und einer ungefähren, auf die nächste Million Jahre gerundeten, Jahreszahl zufrieden.

In diesem Artikel werde ich versuchen, den langen Weg der paläontologischen Altersbestimmung zu erläutern.


Historischer Hintergrund

Dass die Frage so alt wie die Menschheit ist sieht man daran, dass jede Religion ihre eigene Schöpfungsgeschichte mitbringt. Diese Besetzung des Themas durch die Religion hat es große Teile der menschlichen Geschichte schwer gemacht, sich mit der Frage nach dem Alter des Universums, der Welt, einzelner Arten oder der Steine, auf denen man steht, zu befassen. Auch ist die Quellenlage sehr dürftig, da aus der Antike nur wenige Werke bis heute überliefert sind. Die ersten überlieferten Überlegungen stammen aus dem 5. und 6. vorchristlichen Jahrhundert aus Griechenland.

Thales von Milet ( ca. 624 - 546 v.Chr.)
Erkannte, dass der Wasserkreislauf zu Sedimenttransport und Ablagerung in Deltabecken von Flüssen führt.

Anaximandros (um 610 bis um 546 v. Chr.)
Denkt die Evolution der Lebewesen 2.400 Jahre vor Darwin an.

Xenophanes von Kolophon (um 570 bis um 470 v. Chr.)
Erkennt Abdrücke von Muscheln weit weg vom Meer als die Überreste von versteinerten Lebewesen. Ihre Lage erklärte er damit, dass sich die Gebirge einstmals aus dem Meer gehoben hätten. Ebenso erkannte er die voranschreitende Erosion an den Küsten. Aus diesen beiden Prozessen schloss er auf große Zyklen, in denen sich Gebirgsbildung und Erosion abwechselten.

Die Denker im antiken Griechenland waren also auf dem richtigen Weg. In einer Gesellschaft, in der man über Vieles, auch scheinbar Sinnloses erst einmal nachdenken durfte, konnten solche Überlegungen gedeihen.

Mit dem Römischen Weltreich wurde diese Entwicklung leider für sehr lange Zeit unterbrochen. Die Römer hatten Sinn für praktische angewandte Wissenschaft. Straßenbau, Gebäude, Steuern und Armee, aber dazu braucht man keine komplexe theoretische Mathematik oder Grundlagen in Naturwissenschaften.

Auch hier gab es vereinzelt große Naturwissenschaftler und da im Römischen Weltreich der Bergbau und die Metallgewinnung große Bedeutung hatten, sind auch durchaus Gedanken über Mineralien und Erzlagerstätten überliefert, z.B. bei Plinius dem Älteren in seinem Hauptwerk Naturalis Historiae, aber das führte nicht zu weiterführenden Theorien. Wohl auch weil Bergbau als Sklavenarbeit für Gelehrte kein Thema war.

Im Mittelalter und bis zum Beginn der Neuzeit landeten Gelehrte schon mal auf dem Scheiterhaufen, die sich Gedanken über den Aufbau der Welt machten. So wurde Giordano Bruno im Jahre 1600 verbrannt, wohl nicht nur für seine These vom undlichen Weltall, sondern auch mit der Behauptung Jesus sei nicht Gottes Sohn. Sein Zeitgenosse Galileo Galilei bekam ebenfalls Probleme mit der Inquisition und hielt sich mit der Veröffentlichung seiner astronomischen Erkenntnisse zurück.

Mit dem Beginn der Neuzeit wurden die fast verschollenen antiken Ideen zuerst wiederentdeckt, etwa durch Übersetzungen aus arabischen Quellen, und dienten dann als Grundlage neuer Erkenntnisse. Auch hier war der Bergbau ein wichtiger Ausgangspunkt.

Georgius Agricola (latinisierter Name von Georg Bauer 1494 - 1555) gilt als Begründer der modernen Geowissenschaften und beschreibt in seinen Werken (beispielsweise in: De Natura Fossilium) den damaligen Stand des Bergbaus, aber die Vorstellung über die Entstehung von Gesteinen und Mineralien sind noch in antiker Tradition und eher unwissenschaftlich.

Aber der Fortschritt war nicht mehr aufzuhalten und mit dem dänischen Naturforscher Niels Stensen; latinisiert Nicolaus Steno (1638 - 1686) machte die paläontologische Altersbestimmung große Schritte. Er erkannte, dass weiter unten liegenden Schichten älter waren als darüber liegende, erstellte erste Profile und begriff, dass Sedimente ursprünglich horizontal abgelagert werden und dann später gefaltet wurden.

Noch immer war es ein weiter Weg und die Widerstände groß, gegen alles was scheinbar der christlichen Schöpfungsgeschichte widersprach.

Hier ist es interessant sich einmal in einen Menschen am Anfang der Neuzeit zu versetzen. Er findet also auf einem Berg weit weg vom Meer eine Muschel in Stein. Was für eine bessere Erklärung wie die Sintflut kann es dafür geben? Auch einem kritisch denkenden Menschen fehlten einfach die Grundlagen um dagegen anzuargumentieren. Und warum sollte er? Er war wie alle seine Zeitgenossen christlich erzogen und die Frage war in der Bibel geklärt.

Im 18 Jahrhundert war das Sammeln von Mineralien und Fossilien zu einem angesehenen Hobby in Bildungsbürgerkreisen geworden. Es gab eine wohlhabende Schicht, die in ihr Hobby Zeit und Geld investieren konnte. So kann man in Weimar noch heute Goethes Sammlung bewundern. Auch im Bergbau gab es mit der Industrialisierung Fortschritte.

Zuerst machte man sich Gedanken über die Art der Gesteine und nicht so sehr über die Fossilien darin. Dieser Ansatz wird als Lithologie bezeichnet. Auch die Erkenntnis, dass weiter unten abgelagerte Sedimente älter sind, setzte sich durch.

Der italienische Bergwerksdirektor Giovanni Arduino (1735 - 1795) fertigte ein Profil des italienischen Alpenvorlands an. Dabei unterteilte er die Gesteine der Erdkruste in Primär, Sekundär, Tertiär und Quartär.  Auch erkannte er, dass die Fossilien in den jüngeren Schichten den heute lebenden Organismen immer ähnlicher werden.


Die relative Chronologie

Alle diese kleinen Schritte führen zu einer relativen Chronologie. Man kann damit sagen, Gestein A ist älter als B, weil es weiter unten liegt, aber damit bekommt man keine absoluten Altersangaben!

Ein Durchbruch gelang dem englischen Kanalbauer William Smith (1769 - 1839). Durch seine Tätigkeit war ihm der Untergrund Englands gut bekannt. Er hat dann in jahrelanger Arbeit allein eine geologische Karte von England und Wales angefertigt und 1815 veröffentlichte, die es durchaus noch mit modernen Karten aufnehmen kann. Eine Lebensleistung, die man aus heutiger Sicht gar nicht hoch genug einschätzen kann. Zuerst blieb dem nicht studierten Smith die Anerkennung versagt, das ging bis zum Diebstahl seines Werkes und Plagiatsvorwürfen von missgünstigen Gelehrten. In hohem Alter wurde er rehabilitiert und sein Werk gewürdigt.

Er war mit seinen Kenntnissen in der Lage, zum Beispiel Kohlevorkommen vorherzusagen und war daher bei den Bergwerksbetreibern ein gern zu Rate gezogener Fachmann. Der Nutzen seiner Arbeit für die Industrialisierung war offensichtlich und führte dazu, dass auch in anderen Ländern geologische Kartierungsprojekte in großen Umfang begonnen wurden.

Smith hatte auch erkannt, dass jede Gesteinsfolge typische Fossilien bzw. Fossilgemeinschaften enthielt. Wenig später wurde der Begriff 'Leitfossil' von Leopold von Buch geprägt. Alle diese Erkenntnisse ermöglichten dann die Erstellung der relativen Chronologie. Wenn man die englische Südküste von Ost nach West entlang fährt, dann sieht man zuerst die hellen Kreidefelsen von Dover, dann folgen die dunklen Tone des Jura und in Devon dann die Kalke des Devon. So kann man sich eine Abfolge schon recht gut vor Augen führen. 

Dieser Teil der Geschichte erklärt auch, warum die Paläontologie ein recht europäisch geprägtes Bild zeichnet. Die Grundlagenforschung wurde nun einmal hier geleistet. Natürlich sind in anderen Teilen der Welt die Ablagerungen des Lias nicht unbedingt schwarze Tone, aber die lokale Betrachtung war naheliegend. Trotzdem zeigte sich, dass der lithologische Ansatz nicht immer richtig war und die Leitfossilien zur relativen Altersbestimmung besser geeignet waren. Diese Biostratigraphie musste nun mit Leben gefüllt werden. Eine Arbeit für Sammler und Besessene, wie man sie noch heute bei Steinkern antrifft.

Es wären hier jetzt viele große Paläontologen zu nennen, die in ihren Erdzeitaltern Unmengen an Material gesammelt und beschrieben haben. Wenn man sich die Werke aus dem 19 Jahrhundert zum Beispiel von Quenstedt ansieht, dann können wir damit noch heute gut arbeiten. Es werden dort akribisch Fossilien der einzelnen Schichten aufgelistet. So ist es uns heute möglich, mit dieser Literatur zu einer recht präzisen Einordnung unserer Funde zu kommen. 

Die Ammonitenzonen des Jura geteilt durch die absolute Dauer dieses Erdzeitalters ergibt recht kurze Zeitfenster, in die wir unsere Funde einordnen können. Leider ist das nicht immer so leicht. Wenn man keine kurzlebigen Leitfossilien hat, wird es schwierig. Abhilfe schaffen konnte die Bearbeitung der Mikrofossilien. Wenn es gar keine Makrofossilien gibt oder andere Leitfossilien in einem Aufschluss einfach nicht zu finden sind, dann können Mikrofossilien oft sehr nützlich sein. Im Devon wäre man an vielen Stellen ohne Conodonten aufgeschmissen, weil die monotonen Massenkalke einfach keine anderen Leitfossilien hergeben.

Mit fortschreitender Entwicklung der Technik wurden weiter Methoden zur Erstellung von relativen Chronologien entwickelt, die bestimmte physikalische Eigenschaften ausnutzen.  Jede dieser Methoden hat ihre Berechtigung, entweder weil andere Methoden am zu bestimmenden Material nicht funktionieren oder um die Einordnung mittels anderer Methoden zu verifizieren.

Die Polarität des Erdmagnetfeldes kehrt sich im Mittel alle 250.000 Jahre um, das bedeutet Nordpol und Südpol tauschen ihre Position. In flüssiger Lava richten sich magnetische Mineralien nach der aktuellen Polarität aus. Wenn die Lava erstarrt, dann ist die Polarität zum Erstarrungszeitpunkt konserviert. Da die entsprechenden Vergleichsdaten von Ozeanbodenbasalten von beiderseits des Mittelatlantischen Rückens stammen, reichen die Daten maximal 180 Millionen Jahre zurück und ermöglichen so eventuell die Einordnung anderer Proben in einen Polaritätszyklus. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn man keine Leitfossilien oder gar keine brauchbaren Fossilien in den zwischengeschalteten Sedimenten vorfindet.
Das funktioniert auch mit magnetischen Mineralien, die in Sedimentgesteinen eingelagert wurden. Aber die Signatur ist um Größenordnungen kleiner und daher schwerer zu messen.



Die absolute Chronologie

So sind wir an einem Punkt, an dem wir eine recht gute relative Chronologie haben. Wie kommt man jetzt an eine absolute Chronologie mit möglichst präzisen Altersangaben in Jahren?

Ein Ansatz wäre die Sedimentationsrate der einzelnen Aufschlüsse abzuschätzen und die Zahlen zu addieren. Das bedeutet, man überlegt sich wie lange es wohl gedauert hat, bis sich eine bestimmte Sedimentschicht abgelagert hat. Das funktioniert aus verschiedenen Gründen nicht gut. Wir können die Sedimentationsrate schlecht abschätzen, weil sie durch klimatische und geographische Einflüsse stark schwanken kann. Auch gibt es durch Meeresspiegelschwankungen große Lücken, weil trocken fallendes Sediment wieder erodiert wird.  

Eine gute Methode für archäologische Funde ist die Dendrochronologie. Dabei werden Baumringe analysiert. Wenn ein alter Baum A heute gefällt wird, dann hat er für seinen Standort eine charakteristische Folge von unterschiedlich breiten Jahresringen. Diese entstehen durch jährlich schwankende Niederschläge und Vegetationsperioden. Wenn man nun einen weiteren Baum B vom gleichen Standort und möglichst der gleichen Baumart findet, der schon vor langer Zeit gefällt wurde, dann kann man dessen älteste Jahresringe mit den jüngsten von Baum A überlappen. Wenn man das mit sehr vielen Bäumen einer Region macht, dann bekommt man eine Datenbank mit deren Hilfe man beliebige Holzfunde aus dem Zeitraum, den die Datenbank abdeckt, genau bestimmen kann. Man kann zumindest sagen wann der Baum gefällt wurde. Die Dendrochronologie reicht maximal 10.000 bis 12.000 Jahre zurück, weil die Vegetationszonen  von der Eiszeit  stark verschoben wurden. Eine schöne Methode, aber nicht für geologische Zeiträume geeignet.

Etwas weiter reicht die Warvenchronologie. Dabei werden die unterschiedlich hellen Schichten von Seesedimenten gezählt. Man braucht also Gewässer, die schon sehr lange ununterbrochen Sediment ablagern. Auch hier ist oft mit den Eiszeiten Ende, aber es gibt durchaus Seen, die nicht im direkten Einflussbereich der Gletscher liegen und so kommt man auf immerhin maximal 80.000 Jahre - immer noch viel zu wenig. 

Edit vom 3.4.2011:
Bohrungen im türkischen Vansee haben See-Sedimente bis zu einem alter von 400.000 Jahren ergeben (Link zum Bericht im Forum). Da Klimaforschung gut finanziert wird, gibt es hier auch interessante Fortschritte.


Noch weiter reichen die Eisbohrkerne der Antarktis. Dabei werden kilometertiefe Bohrungen in das Eis getrieben. Der Schnee bildet ebenfalls zählbare jährliche Schichten und speichert zahlreiche Informationen: Zusammensetzung der Atmosphäre in eingeschlossenen Gasblasen, Pollen, Staub und deren Zusammensetzung. So kann man oberirdische Atombombenversuche oder Vulkanausbrüche auf das Jahr genau nachvollziehen und Aussagen über das Klima machen. Da diese Forschungen momentan von vielen Ländern mit mehreren Bohrungen vorangetrieben werden, erweitert sich das erfasste Zeitfenster ständig. Bei etwas 900.000 Jahren wird wohl spätestens das älteste Eis an der tiefsten Stelle im mehr als 3 Kilometer Tiefe erreicht sein. Beeindruckend, aber eben immer noch viel zu wenig.

Bis hierhin sind die Methoden noch nachvollziehbar und begreifbar. Bei den nun folgenden physikalischen Methoden wird es abstrakter.

Bei der Thermolumineszenz nutzt man einen physikalischen Effekt, bei dem durch Strahlung Fehler in Kristallgittern entstehen. Durch Erhitzung einer Probe kann man dann die aus diesen Kristallfehlern resultierende Lumineszenz messen und Rückschlüsse auf das Alter der Probe ziehen. Die Abweichung der Messwerte kann bis zu 10% des Alters der Probe betragen. In der Archäologie ist sie trotzdem nützlich, besonders wenn die folgenden radiometrischen Methoden mangels organischem Materials versagen. Die Methode ist stark vom zu untersuchenden Material und dessen Fundort abhängig und hat eine Reichweite von über 50.000 Jahre, unter günstigsten Bedingungen bis 500.000 Jahre. In der Quartär-Paläontologie wird die Methode genutzt, da damit in Höhlen eingeschwemmte Sedimente auf die letzte Einwirkung von Sonnenlicht und somit auf ihre letztmalige Umlagerung hin datiert werden können.


Radiometrische Altersbestimmung

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Eigenschaften und Aufbau der Elemente erforscht. Dabei wurde entdeckt, dass ein Element unterschiedliche Isotope besitzt. So gibt es Kohlenstoff als das Isotop C-12 (Anteil 98,89 % am gesamten Kohlenstoff), C-13 (1,11 %) und, durch kosmische Strahlung gebildet, C-14 (0,000.000.000.1 %). Auf 1 Billion C12-Kerne kommt so statistisch nur ein einziger C-14-Kern. Im Gegensatz zu C-12 und C-13 ist C-14 nicht stabil und zerfällt. Jedes Lebewesen nimmt nur zu seinen Lebzeiten C-14 auf. Nach dem Tod beginnt eine atomare Uhr zu ticken. Das C-14 zerfällt und das Verhältnis zu den anderen Isotopen verschiebt sich. Wenn man also messen könnte, wie viel C-14 noch in einer Probe ist und wenn man wüsste, wie schnell C-14 zerfällt, dann könnte man Aussagen über das Alter jeder Probe machen, die Kohlenstoff enthält.

Diese radiometrischen Methoden erfordern einen gewaltigen apparativen Aufwand. Man fand nun heraus, das die Hälfte des C-14 einer Probe statistisch nach 5730 Jahren zerfallen ist. Wenn man also eine Probe vor sich hat, bei der etwa die Hälfe des C-14 zerfallen ist, dann ist diese etwa 5.730 Jahre alt. Man nennt diese Zeitspanne auch Halbwertszeit. Nach etwa 10 dieser Zyklen, also nach 57.300 Jahren ist die Nachweisgrenze erreicht, es ist dann einfach zu wenig C14 übrig, das noch nicht zerfallen ist. Damit ist diese Methode für die Geologie immer noch nicht weitreichend genug. Aber es gibt Elemente, deren Isotope deutlich längere Halbwertszeiten haben. Da es sich um statistische Werte handelt und Messfehler abgeschätzt werden müssen, liefern diese Methoden keine genauen Jahreszahlen. Die Angaben erfolgen immer Plus/Minus X Jahre. Die so ermittelten Altersangaben sind das Beste, was wir momentan haben.

Bei geologischen Proben kommt erschwerend hinzu, dass sie fast immer diagenetisch verändert sind. Erwärmung, Porenwässer, Umstrukturierung der Kristalle und zahlreiche andere Faktoren verfälschen die radioaktive Uhr bis zur Unbrauchbarkeit.

Die Herausforderung ist also zuerst einmal brauchbares Probenmaterial zu bekommen, das Isotope mit der richtigen Halbwertszeit enthält. Sowohl Verunreinigungen durch Material aus anderen Epochen als auch eine Veränderung der Isotopenverhältnisse durch Diagenese muss ausgeschlossen werden.

Gut geeignet ist das Mineral Zirkon. Es ist relativ resistent gegen Verwitterung und baut in seine Kristallstruktur geeignete Elemente ein. Dabei wird Uran in das Kristallgitter eingebaut, aber kein Blei. Der Zerfall von Uran-235 zu Blei-207 mit einer Halbwertszeit von etwa 704 Millionen Jahren ermöglicht so die Bestimmung von 3 Milliarden Jahre alten Proben mit einer Abweichung von 'nur' zwei Millionen Jahren. Es gibt noch weitere Methoden für andere Elemente mit längeren Halbwertszeiten und damit verbunden höheren Ungenauigkeiten.

Sedimente können mit radiometrischen Methoden nicht direkt bestimmt werden, da sie aus den älteren Mineralien der erodierten Liefergebiete bestehen und nicht mit der Sedimentation enstanden sind, die man datieren möchte.

Vulkanische Zwischenlagen in Sedimentabfolgen sind dagegen sehr gut zur Datierung geeignet, da die enthaltenen Kristalle erst relativ kurz vor einer Eruption als Kondensat in der Magmenkammer entstehen (maximal einige Jahrtausende vor dem Ausbruch, was im Rahmen der Unschärfe bei der Datierung keine Rolle spielt) oder idealerweise erst beim Ausbruch aus der nach oben geförderten Schmelze auskristallisieren.

Der älteste bisher gefundene Zirkon konnte vor kurzem auf 4,404 Milliarden Jahre datiert werden. Dieser winzige Kristall hat den Zeitpunkt der Abkühlung der Erdoberfläche deutlich nach hinten verlegt. Es grenzt schon an ein Wunder, dass etwas den ständigen Recyclingprozess der Erdoberfläche über diesen unendlich langen Zeitraum überstanden hat.

Für die Zeitspanne, in der unser Planet eine feste Oberfläche hatte, lassen sich mit der Uran-Blei-Methode also gute Näherungswerte ermitteln. Wenn man den Stand vor den radiometrischen Methoden bedenkt, also absolute Unwissenheit, dann ist dies schon eine sehr genaue Angabe. Das macht aber auch die Anfangs genannte Aussage des Paläontologen verständlicher, dass es bei geologischen Zeitangaben nicht wirklich wichtig ist, ob der Saurier vor 120 Millionen oder vor 121.365.723 Jahren gelebt hat. Die radiometrischen Methoden sind seit ihrer Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg immer weiter verfeinert und verifiziert worden. Dieser Prozess wird zukünftig sicher noch zu präziseren Altersangaben führen und wer weiß, eventuell findet sich ja doch noch eine Methode, um das Todesjahr des Sauriers auf 121.365.723 Jahre zu datieren.

Die präzise Messung von Isotopenverhältnissen nutzt man auch bei der Sauerstoff-Isotopen-Stratigraphie. Das Verhältnis der Sauerstoff-Isotope O-16 und O-18 ist temperaturabhängig. Bei niedrigeren Temperaturen steigt der Anteil des schwereren O-18. Dieses Elementverhältnis konservieren fossile Foraminiferen in ihrer Schale. Bei systematischer Untersuchung von Sedimentpaketen kann man so historische Klimakurven erstellen.    



Fazit

In den letzten hundert Jahren wurden viele Methoden zur relativen und absoluten Altersbestimmung entwickelt. Der Aufwand zur Eichung und Verifizierung dieser Methoden dürfte in die tausende von Mannjahren gehen, wenn man die Entwicklung der Technik und die Zusammenstellung von Referenzdatenbanken dazurechnet. Da wir bei geologischen Zeiträumen von für Menschen unfassbar langen Zeiträumen reden und alle Methoden, egal wie fortschritllich, noch ihre Schwächen haben, liegt noch einiges an Arbeit vor den beteiligten Fachwissenschaftlern aus vielen Disziplinen.

Die heute vorliegenden Altersangaben beruhen auf abgesicherten und nachvollziehbaren exakten naturwissenschaftlichen Methoden und sind durch die geleistete Arbeit von Generationen von Wissenschaftlern schon so weit verifiziert und präzisiert, dass sie dem realen Alter recht nahe kommen dürften oder man sich zumindest der möglichen Abweichungen bewusst ist.
  
Den zusammengefassten aktuellen Stand der Altersbestimmung findet man auf den Seiten der internationalen stratigraphischen Kommission:

https://engineering.purdue.edu/Stratigraphy/gssp/index.php?parentid=35

oder als sehr empfehlenswertes PDF:

https://engineering.purdue.edu/Stratigraphy/charts/Stratigraphic_Chart_GTS2012.pdf



Wer weitere Details nachlesen möchte findet eine Reihe von guten Wikipedia-Artikeln:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Geologie
http://de.wikipedia.org/wiki/Dendrochronologie
http://de.wikipedia.org/wiki/Radiometrische_Datierung
http://de.wikipedia.org/wiki/Radiokohlenstoffdatierung
http://de.wikipedia.org/wiki/Geochronologie
http://de.wikipedia.org/wiki/Nicolaus_Steno


Literatur:

Cutler, A. (2003). Die Muschel auf dem Berg – Über Nicolaus Steno und die Anfänge der Geologie, Albrecht Knaus, München.

Krafft, F. (Hrsg., 2006): Georgius Agricola – De Natura Fossilium, Matrix Verlag, Wiesbaden.

Repcheck, J. (2007): Der Mann, der die Zeit fand – James Hutton und die Entdeckung der Erdgeschichte, Klett Cotta, Stuttgart.

Winchester, S. (2003): Eine Karte verändert die Welt – William Smith und die Geburt der modernen Geologie, btb, München.

B.Hubmann (2009) Die großen Geologen - Marixwissen
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