Paläogen, Neogen und jünger

Vom Auktionshaus in die Vitrine: Experimentelle Präparation eines Krokodilsalamanders vom Balkan

Die Geschichte dieses Projektes beginnt im Herbst 2020. Die Welt ächzt unter Corona. Als Student war ich wohl oder übel ins „Home-Office“ verbannt. Dies hatte immerhin den Vorteil, dass die „Bucht“ (gemeint ist das Internet-Auktionshaus eBay) nur wenige Klicks entfernt war. Dort stieß ich beim Stöbern auf einen Krokodilmolch der Art Chelotriton paradoxus POMEL 1853 aus Gracanice (Bosnien und Herzegowina). Dieser war zwar nicht gut erhalten und auch teilweise ergänzt, schien aber Potential zu haben. Dies vor allem dadurch, dass alle vier Extremitäten mehr oder weniger abgewinkelt waren und sogar noch Mageninhalt in Form von kleinen weißen Schnecken vorhanden war. Die Entscheidung zuzuschlagen, fiel also nicht schwer. Nachdem der Salamander per Post bei mir angekommen war, ging es an die Begutachtung: die Schwanzspitze war ergänzt, die linke Vorderextremität tauchte durch Nachschaben noch auf, ebenso die linke Hinterextremität. Die rechte Vorderextremität ab dem Unterarm sowie kleinere Bereiche des Schädels fehlten allerdings. Dennoch reifte in meinem Kopf eine Idee…

 

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Abb. 1: Der Krokodilsalamander Chelotriton paradoxus im Ausgangszustand nach dem Kauf.

 

Teil zwei des Projektes folgte einige Monate später. Als erstes habe ich die Platte auf den Originalbestand reduziert und alles, was nicht dazugehörte, entfernt (Abb. 2). Dabei stellte sich auch heraus, dass die Rückseite nicht – wie erst gedacht – mit Kunststoff, sondern mit Bauschaum verstärkt war (Abb. 3). Ansich ist es Geschmackssache, aber in diesem Fall war es gar nicht schlecht, weil sich der Bauschaum mit einer Kneifzange sehr gut entfernen ließ. Das hinten angebaute Stück habe ich mittels Einschlitzen mit einer Fräse sowie Abknipsen abgetrennt, da es durch die Farbunterschiede nicht zur Originalplatte passte.

 

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Abb. 2

 

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Abb. 3

 

Anschließend habe ich, da das Stück mehr für die Optik und die Vitrine gedacht war, ein anderes Vorderteil eines Krokodilsalamanders „geschlachtet“ und die rechte Vorderpfote sowie einige kleine Schädelteile passend transplantiert. Auch die Platte erweiterte ich passend um fehlende Teile und fertigte eine Schablone mit einer Klarsichtfolie für die spätere Orientierung an.


Nun folgte der eigentliche experimentelle Schritt. Der Salamander besteht aus roter, rostig-pulveriger Substanz, die in einem weichen Kieselgur liegt. Dies sind eigentlich keine guten Voraussetzungen für eine plastische Präparation. Deshalb goss ich die freiliegende Seite mit dünnflüssigem Kunststoff auf und verstärkte sie mit einer Glasfasermatte.

 

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Abb. 4: Spätestens jetzt gab es kein Zurück mehr.

 

Nachdem die „Sauerei“ abgebunden hatte, ging es an die Rückseite der Platte, die nun zur Vorderseite werden sollte, da ich vorhatte, das Fossil umzudrehen und von der anderen Seite durchzupräparieren. Mit einem Bandschleifer habe ich diese „einplaniert“ und ausgedünnt. Es war zwar schön, die Gesteinsmaserung anzusehen, jedoch stand ich nun vor einem Problem: die Maserungen der einzelnen Anbauteile passten nicht so recht zueinander. Doch dazu später mehr.

 

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Abb. 5: In diesem Zustand wanderte das „Überraschungsei“ dann für einige Monate in die Schublade.

 

Einige Zeit später habe ich die eigentliche Präparation des Salamanders begonnen. Dies war der entscheidende Moment, in dem sich herausstellen sollte, ob ich den Kaufpreis in den Sand gesetzt hatte oder ob das Vorhaben gelingen könnte; jedenfalls war der Heiligenschein in den ersten Minuten mächtig am flackern. Da der Stichel (warum auch immer) nur schwarze Striche zog, fiel die Wahl auf die Nadelpräparation, denn das Gestein war sehr weich. Theoretisch betrachtet, hätte das auch mit dem Sandstrahler gehen können, dafür war die Fossilsubstanz aber dann doch nicht hart genug und es wären feine Details durch die abrasive Natur des Strahlens bei weicher Substanz verwischt worden. Mit der Nadel ließ sich der Salamander jedenfalls Stück für Stück sehr gut freilegen. Vorgeschabt habe ich mit einem Skalpell, um die höchsten Punkte zu lokalisieren, ohne sie dabei zu beschädigen. Dies geht dank der Maserung des Gesteins sehr gut, weil sich auch die über dem Fossil liegenden Schichten hochwölben und man diese zuerst abrasiert, bevor man die eigentliche Substanz erreicht. Man erhält dann, sozusagen als Vorwarnung nahender Fossilsubstanz, kleine Kreise oder Flächen der darunterliegenden Schicht, die eine etwas andere Farbe haben und unter dem Mikroskop gut erkennbar sind. Zum Beispiel haben sich so die Querfortsätze und die Dornfortsätze der Wirbel, die schräg eingebettet lagen, sehr gut lokalisieren lassen. Hilfreich war zusätzlich auch die Schablone, damit man immer gucken konnte, was anatomisch wo ungefähr auftauchen sollte.

Ich begann die Präparation am Schädel, dessen Einzelteile zwar leicht angelöst und verdriftet, aber dennoch sehr detailreich erhalten sind. Hier wurde mir auch klar, warum die Gattung Chelotriton auch Krokodilsalamander genannt wird. Anschließend habe ich Stück für Stück die Wirbelsäule freigelegt.

 

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Abb. 6

 

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Abb. 7

 

Kurz vor dem Becken habe ich dann bemerkt, dass die Wirbelsäule unterbrochen und etwas nach vorne geschoben ist. Dies erklärt den proportional relativ kurzen Körper. Nachdem ich die Wirbelsäule und den Schwanz, soweit vorhanden, freigelegt hatte, ging es an die Rippen und die Extremitäten. Die Rippen auf der linken Seite liegen wie gekämmt nebeneinander, während sie auf der rechten Seite von der Wirbelsäule verdeckt sind. Außerdem ließ sich der Mageninhalt, bestehend aus kleinen weißen Schnecken, freilegen. Meine Interpretation beruht darauf, dass diese schon eine verätzt wirkende Oberfläche haben und von einer hauchdünnen, kohligen, schwarzen Schicht bedeckt wurden, die sich leider nicht halten ließ. Allerdings setzte diese sich noch weiter nach links und rechts fort.

 

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Abb. 8

 

Bei der Präparation der Extremitäten tauchte glücklicherweise noch mehr auf als ursprünglich gedacht, so zum Beispiel die linke Hinterextremität, deren Oberschenkel halb unter der Wirbelsäule lag. Allerdings sind die Extremitäten etwas angelöst.

 

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Abb. 9

 

Nach der Präparation des Fossils ging es an die Gestaltung der Platte. Diese gefiel mir aus den oben schon erwähnten Gründen nicht so sehr. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, die Platte so einzuschleifen, dass die Schichten alle eine einigermaßen gleiche oder ähnliche Farbe haben. Das hieß allerdings auch, sich von der Maserung zu verabschieden. Man muss hier allerdings bedenken, dass eine Platte nicht unbedingt schöner wird, wenn sie (durch das Ansetzen bedingt) völlig unterschiedliche und widersprüchliche Maserungen in verschiedenen Bereichen hat.

Danach habe ich den Salamander mit verdünntem Mowilith eingelassen. Anschließend folgte mein persönlicher „Endgegner“, die Koloration. Diese war hier besonders schwierig, weil die Farbe vom Kieselgur wie ein Schwamm aufgesogen wurde, erst nachdunkelte und man erst nach ein paar Minuten die gewünschte und nicht erreichte Farbe erkennen konnte. Außerdem störte noch die große Kunststofffläche links neben dem Kopf. Diese wurde mit Sekundenkleber angefeuchtet und mit Gesteinsmehl bepudert. Acrylfarbe folgte.

 

Abschließend präsentiert sich der etwa 16 cm große Krokodilsalamander ansehnlich auf einer handlichen Platte und kann sich in der Vitrine durchaus sehen lassen. Die Präparation dieser „tertiären Wundertüte“ dauerte alles inklusive etwa 60 Stunden. Aus dem hässlichen Entlein ließ sich noch ein einigermaßen eleganter Schwan „zaubern“, wenn auch mit einigen Abstrichen an der Platte. Gelohnt hat sich die Präparation allein schon dadurch, dass das Fossil sehr viele anatomische Details zeigt, die so bei vielen Krokodilsalamandern gar nicht erkennbar sind.

 

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Abb. 10: Foto vergrößern.

 

 

Eckdaten zum Fossil in Kurzfassung:

Krokodilsalamander Chelotriton paradoxus POMEL 1853

Länge: 16 cm

Fundort: primär Gracanice (Bosnien-Herzogowina), sekundär allerdings eBay.

Alter: Miozän

Verwendete Geräte und Hilfsmittel: Nadeln, Schaber, viel Sekundenkleber, diverse Fräsen und ein Bandschleifer.

Präparation und Sammlung: Justus Güttler

 

 

Justus Güttler für Steinkern.de