Perm

Die Alpen vor den Dinosauriern: Amphibientrittsiegel aus den Dolomiten

Ein 270 Millionen Jahre alter Spaziergang offenbart einige Geheimnisse der Fortbewegung bei Amphibien.

 

Der Fund einiger seltener Fossilien im Gebiet zwischen der Lombardei und dem Trentino (Italien), hat es den Forschern des MUSE-Museum für Wissenschaft in Trient ermöglicht, die Art der Fortbewegung urzeitlicher Amphibien, die den heutigen Salamandern ähneln, zu rekonstruieren.
Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe der international bekannten Fachzeitschrift “Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology” veröffentlicht, ebenso haben die Zeitschrift "New Scientist" und die britische Tageszeitung "Sunday Newspaper" darüber berichtet. [...]

Das Team
Die Fossilien wurden von den Forschern des MUSE im Bereich Paläontologie Fabio Massimo Petti, Massimo Bernardi und Marco Avanzini, in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Universitäten von Mailand und Winston-Salem (North Carolina, USA) untersucht.

 

Studio sul campo 1

Abb. 1: Das Forschungsteam bei der Geländearbeit.



Die Forschungsergebnisse

Die Studie, die in der aktuellen Ausgabe von “Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology” veröffentlicht wurde, zeigt deutlich, dass die kleinen Amphibien (ca. 15 cm) – die aus dem Schlamm eines Sees, der sich in der weit entfernten Zeitperiode des Perm von der Lombardei bis in den westlichen Teil des Trentino erstreckte – sich sowohl an Land wie auch beim Gang ins Wasser auf dieselbe Art bewegten wie die heutigen Salamander. Die Forschung lässt daher erahnen, dass die heutigen Salamander ein „Fenster“ in vergangene Zeiten darstellen – nicht nur die Körperform, sondern auch die Biomechanik der inzwischen ausgestorbenen Amphibien des Perm betreffend.

 

Le tracce fossili 1

Abb. 2 a-c:  Spuren des Amphibs. Oben links verwaschene Spur, vermutlich in flachem Wasser entstanden. Links unten deutlichere Spur mit zentraler Schleifspur des Schwanzes.

 

Le tracce fossili 2

Abb. 3: Negativabdruck einer Spur.


Die Beobachtung eines kleinen Salamanders, der sich im Unterholz bewegt, führt uns damit [...] in eine Zeit vor ca. 300 Millionen Jahren zurück, als ähnlich geformte Tiere eine vergleichbare Dynamik der Fortbewegung entwickelt hatten.

 

Anfibio fossile 1

Abb. 4: Rekonstruktionszeichnung eines Amphibs, welches die Spuren hinterlassen haben könnte.



“Se l’evoluzione è cambiamento nel tempo, potremmo dire che certi comportamenti, certe dinamiche, soprattutto quelle legate a precisi vincoli fisici o particolarmente efficienti, vengono preservate. Strategia vincente non si cambia” [„Wenn Evolution die Veränderung im Laufe der Zeit ist, könnte man sagen, dass gewisse Verhaltensweisen, gewisse Dynamiken – vor allem jene die besonders effizient sind oder bestimmte körperliche Vorgaben betreffen – beibehalten werden. Eine gewinnbringende Strategie wird nicht verändert.“] bekräftigen die Paläontologen des MUSE Marco Avanzini und Massimo Bernardi.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es trotz der Formveränderungen, Verhaltensweisen und Dynamiken gibt, die beibehalten werden, da besonders effizient oder durch physische Besonderheiten erzwungen. Die grundlegende, anatomische Organisation des Salamanders hat sich in Jahrmillionen von ökologischen Veränderungen bewährt.



Die Dolomiten erzählen

Die Forschungen des MUSE haben erneut hervorgehoben, dass der Alpenraum eine wichtige Quelle für Informationen über die Vergangenheit ist. Eine Reihe an Forschungen, die in den letzten Monaten abgeschlossen wurden und die Ökosysteme der Dolomiten und der umliegenden Gebiete betreffen, eröffnen einen Blick in die Tiefe der Vergangenheit.
Erst kürzlich kündigte beispielsweise der Verleger InTech offiziell an, dass der Beitrag von Marco Avanzini, Massimo Bernardi (MUSE) und Umberto Nicosia (Università Sapienza, Rom) – Teil einer internationalen Publikation über Paläontologie – der Artikel mit den meisten Downloads (mehr als 6000) innerhalb des gesamten Fachbereiches ist. Damit bestätigt sich das internationale Interesse für die Geschichte und Paläontologie der Dolomiten und der Alpen.
Die vom MUSE veröffentlichten Studien sind Teil eines Forschungsprojektes, welches von der Autonomen Provinz Bozen und vom MUSE, dank der Zusammenarbeit zwischen dem Naturmuseum Südtirol und dem MUSE, finanziert wird. Die im Rahmen dieses Projektes „DoloPT“ entwickelten Forschungen haben die Debatte wieder eröffnet und die Diskussion bzgl. der Ereignisse in den Dolomiten während der tiefsten biologischen Krise (das Massensterben vor ca. 250 Millionen Jahren am Ende des Perm) angeregt; gleichzeitig heben sie hervor, wie die Dolomiten Antworten auf Fragen liefern können, die auf globaler Ebene behandelt werden und somit einen Beitrag zum Wissen über die Geschichte des Lebens auf unserem Planeten liefern können.


Die Auswirkungen

Man könnte sich fragen, welchen Sinn es hat in der heutigen wirtschaftlichen Lage in Forschungen wie diese zu investieren. Die Antworten sind vielfältig, eine der wichtigsten ist dabei sicher jene, welche die Rolle der Forschungszentren als Dienst für die Gemeinschaft und das Territorium hervorhebt.
Diese Aufgabe ist im MUSE fest verankert und eine Gruppe von Geologen und Paläontologen haben in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Wirtschaft der Universität Trient versucht, dessen wirtschaftliche Auswirkungen zu bestimmen. Die Untersuchungen dazu wurden an verschiedenen Orten im Trentino durchgeführt und waren darauf aus, anhand eines Paradigmas den wirtschaftlichen Gesamtwert bestimmter paläontologischen Fundstücke und deren Funktionen zu quantifizieren. So konnte bewiesen werden, dass Orte, die Schauplatz wichtiger naturwissenschaftlicher Funde sind oder waren, deutlich an Wert zulegen.
Dies ist besonders in Fällen wie dem hier beschriebenen erkennbar, da die Abdrücke der Amphibien am Fundort bleiben, leicht einsehbar und erreichbar sind und daher in Zukunft möglicherweise einen zusätzlichen Anziehungspunkt für den Tourismus darstellen (ein Beispiel liefert dabei der Bletterbach im nahen Südtirol).
Während bei den Touristen regelmäßig das Interesse an den Naturschätzen durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit geweckt werden muss, hat die Verbreitung von Wissen rund um den umliegenden Lebensraum und seine Schätze im Falle der Lokalbevölkerung länger Bestand und dient außerdem dazu das vererbte Wissen einer Gemeinschaft zu erhalten und den gefühlten Wert des eigenen Territoriums zu erhöhen.

Der Wert eines modernen Museums leitet sich nicht nur aus der Sammlung und den Ausstellungsstücken ab, sondern auch aus der Fähigkeit einen Dienst an die Gemeinschaft zu leisten, Forschung und Kultur sowie die Entwicklung des umliegenden Gebietes zu fördern. Dies bedeutet, dass ein Museum seine soziale Rolle am besten erfüllen kann, wenn es gleichzeitig Forschungseinrichtung und Zentrum für Wissensverbreitung ist. Forschung schafft Kultur und Kultur kann den örtlichen Fortschritt vorantreiben.

 

Pressemeldung: Monika Vettori (MUSE Museo delle Scienze)

 

Quelle: idw - Informationsdienst Wissenschaft