Unterer Jura

Warum Pleuroceraten nicht immer Zopfkiel tragen

Ammoniten mit fehlendem Kiel sind in der Literatur immer wieder beschrieben worden. Mit meist unterschiedlichen Ergebnissen. Oft wurden daraus sogar „neue Arten“. Auch die evolutionäre Weiterentwicklung bzw. Rückbesinnung auf stammesgeschichtliche Vorfahren wurde diskutiert. Richtig ist jedoch, dass eine Verletzung der interimistischen Mündung am Venter mitsammt dem Mundsaumephitel, solch eine Störung hervorrufen kann. In so einem Fall kann nicht geschädigtes Ephitelgewebe diese Aufgabe übernehmen und die Rippen mehr oder weniger symmetrisch über den Venter bauen. Je gleichmäßiger die „skulpturelle Kompensation“ (= „compensation ornamentale“ Guex 1967) ist, desto eher kann man solche Fehldeutungen (bis zur Beschreibung neuer Arten) verstehen. Gerade bei den Amaltheen und Pleuroceraten sind durch den verletzungsanfälligen Kielfortsatz immer wieder solche Pathologien zu beobachten.
H. Keupp hat in einer Studie über Anomalien bei Ammoniten aus dem Lias delta von Unterstürmig herausgefunden, das ca 5% aller anomalen Ammoniten von dort vorübergehend bis länger keinen Kiel ausbilden konnten, wobei diese sich meist nur wenig symmetrisch über den Venter zeigten. Im Durchschnitt müßten sogar ca. 6000 Ammoniten aufgesammelt werden um eine einigermaßen symmetrische Anomalie zu finden. Solche Fälle von Ringrippigkeit, ob nun symmetrisch oder nicht werden mit der Bezeichnung forma aegra circumdata (Martin 1858) angesprochen.


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Beschreibung Fundstück 400 Leider nur ein Bruchstück von 6,5 cm Länge (1/3 Windung) eines Pleuroceras sp. aus dem oberen Pliensbachium von Kalchreuth in Steinkernerhaltung. Deutlich zu sehen ist, dass die Rippen, in einem kräftigen Bogen nach vorn, nahezu synchron über den Venter ziehen. forma aegra circumdata (Martin 1858)

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Beschreibung Fundstück 417 Leider auch nur ein Bruchstück von 5,4 cm Länge (1/3 Windung) eines Pleuroceras sp. aus dem oberen Pliensbachium von Kalchreuth in Steinkernerhaltung. Der Kiel ist noch leicht zu erkennen aber nicht mehr erhöht. Die Rippen ziehen in starkem Bogen, aber nur schwach zu erkennen, nach vorn über den Venter. Dieses Stück ist quasi ein Übergang vom „normalen Gehäuse“ zur Ringrippigkeit. Deswegen bin ich mir auch nicht ganz sicher, welche forma Bezeichnung hier zu vergeben ist.

Es sei noch auf den Beitrag von Armin verwiesen, der ein ebensolches Stück beschreibt. Und zwar im Hauptmenü unter Funde, Jura, Ein pathologischer Pleuroceras

Ansonsten noch Literatur :

Kiellos und doch ein Pleuroceras Mensch und Natur 1992 H. Keupp + D. Freitag

Weitere Anomalien an Amaltheen-Gehäusen Senkenbergiana lethaea 60/1979 Reiner Hengsbach

Über 2 abnorme Ammonitengehäuse der Gattung Paltopleuroceras Geol. Bl. NO-Bay. 1955 Bd.5 Heft 4 Heinrich Kolb

Gehäusemißbildungen bei Amaltheiden Geol. Bl. NO-Bay. 1958 Bd.8 Florian Heller Pathalogische Ammoniten Kuriositäten oder paläobiologische Dokumente? Fossilien 6/84 H. Keupp

Schalenverletzungen an jurassischen Ammoniten-ihre paläobiologische und paläoökologische Aussagefähigkeit Berliner geowiss. Abh. Reihe E 33 2000 H. Keupp