Unterer Jura

Ein Dornenträger aus der Liasmulde von Herford: Xipheroceras ziphus

Abstract

 

This article is about an ammonite belonging to the species Xipheroceras ziphus (ZIETEN, 1830). It was discovered in the Herforder Liasmulde (liassic syncline of Herford) in summer 2010. The exact place of discovery is located in Herford-Diebrock near the regional metropolis Bielefeld. The Herford-Diebrock quarry has been exploited for the last 20 years. In the meantime is has been widely filled with spoil. There remains only a stockpile with liassic clay containing carbonatic concretions (March 2011). These concretions are relatively rich in fossils. The most common find is Promicroceras planicosta (SOWERBY, 1814). Findings of Asteroceras and Xipheroceras have also been made in the outcropped claystones of the Asteroceras obtusum zone (Upper Sinemurian). Other faunal elements are rare and limited mostly to bivalves and belemnites.

 

At present there is only a small remainder of the clay left, so it was great luck to discover a well preserved specimen of Xipheroceras ziphus.

 

A dimorphism of Xipheroceras dudressieri (ORBIGNY, 1844) and Promicroceras planicosta has been described by COPE (1994) and is also assumed by the author concerning Xipheroceras ziphus (macroconch) and Promicroceras planicosta (mikrokonch), because of the corresponding juvenile stadium of both taxa.

 

 

 



Xipheroceras - ein Charakterammonit aus dem Sinemurium

 

SCHLEGELMILCH (1992) schreibt über Xipheroceras ziphus (ZIETEN, 1830) auf Seite 63 der 2. Auflage seines Buches "Die Ammoniten des süddeutschen Lias":
"Bis Durchmesser = 0,5 cm glatt, danach bis Durchmesser = 1,5 cm regelmäßige, dichte Radialrippen, ventral rhombisch verbreitert. Ab Durchmesser = 2 cm werden die Rippen weitständig und wulstig (6-10 pro Umgang), am Außenbug durch kräftige, meist nicht erhaltene Dornen erhöht. Vorwiegend ventrale feine Zwischenrippen. Ab Durchmesser = 5 cm wieder regelmäßige, unbedornte Konkavrippen, Venter zuletzt glatt".

Die Beschreibung Schlegelmilchs von der Skulptur der verschiedenen Größenstadien, stimmt mit derjenigen des hier vorgestellten Exemplars aus der Herforder Liasmulde gut überein. Aufgrund der Seltenheit dieser Ammoniten in Deutschland und der respektablen Erhaltung, wie man sie in der Herforder Liasmulde lange suchen muss, möchte ich meinen bisher schönsten Fund dieser prägnanten Ammonitenart in diesem Bericht vorstellen. Da die Präparation zwischenzeitlich übel auszugehen drohte, möchte ich auch diesen Part darstellen, um dann das Thema Geschlechtsdimorphismus bei den Xipheroceratinae anzuschneiden. Doch zuvor noch einige einleitende Worte zur Fundstelle und den typischen Funden.

Die Tongrube und ihre Fundpotentiale
Der Fund

 

 
Seit über 10 Jahren besuche ich in unregelmäßigen Abständen die Storksche Tongrube bei Herford-Diebrock. Die beachtlichen Funde von Crucilobiceras und anderen Ammonitenformen aus der Anfangszeit habe ich leider noch weitgehend verpasst, von der später aufgeschlossenen Zone des Asteroceras obtusum (Unterer Jura / Oberes Sinemurium) jedoch in den vielen Dutzend Besuchen eine gute Sammlung zusammentragen können. Die besten Aufschlussverhältnisse herrschten etwa ab 2005, was zu einer Überschneidung mit der Baumaßnahme an der B 239 Baustelle bei Herford führte. Die dortigen Fundmöglichkeiten erforderten damals eine gewisse Fokussierung auf die temporäre Baumaßnahme. Das Glück der Sammler in Bezug auf die Diebrocker Tongrube war, dass der Ton überwiegend nicht sofort vollständig abgefahren wurde, sondern man dort ein großes Tondepot für die nächsten Jahre anlegte, welches sukzessive abgefahren wurde und noch wird (Stand: März 2011). Zwar war die Möglichkeit im Anstehenden zu Suchen schneller passé als es dem Sammler lieb sein konnte, doch konnten die zahlreich im Gestein enthaltenen Geoden noch über Jahre bestens auf den Halden gesammelt werden. Das Aufschlagen der Konkretionen ergab manchen blauen Fingernagel, aber als Kompensation auch durchaus nicht selten Funde von Promicroceras, dem weitaus häufigsten Fossil der Schicht. Leider trennten die Knollen kaum jemals perfekt. Die raren Asteroceraten und die noch etwas häufiger auftretenden Xipheroceraten ragten meistens bereits rundherum oder wenigstens partiell aus hühnereigroßen Knollen heraus. Von großen Ammoniten (über 10 cm) waren nur Wohnkammern zu finden. Die Begleitfauna war sehr artenarm und beschränkte sich nahezu auf Muscheln und eine kurze, nur selten zu findende Belemnitenform. Es gab eine Lage, in der die Auster Gryphaea arcuata häufig war, so dass diese stellenweise gehäuft im Haldenmaterial zu finden war. Aufgebrochene Exemplare zeigten ein kristallines "Innenleben". Die Kristalle erreichten allerdings keine für Mineraliensammler begehrlichen Ausmaße.

 

 
Auch wenn ich, aufgrund des "Schrumpfungsprozesses" der Halde schon längst nicht mehr damit gerechnet hatte, erlebte ich im Sommer 2010 die bis dahin besten Fundmöglichkeiten (bezogen auf meine Besuche in über eine Dekade von Jahren). Ich hatte das Glück, entgegen meiner Erwartungen vor der Anreise, dass mehrere Areale des Tondepots unmittelbar zuvor oberflächlich abgeschoben worden waren und ich trotz des Staubs (eigentlich ist für Diebrock Regenwetter zu favorisieren, weil dann die Knollen besser zu erkennen sind) einige sehr brauchbar erhaltene Xipheroceraten fand. Der Schnitt lag bei weniger als einem adäquat erhaltenen Xipheroceras pro mehrstündigem Besuch. Wer Diebrock kennt, weiß, wovon ich spreche oder ist ein Glückspilz, der sich durch nur wenige Besuche eine bessere Quote konservieren konnte. Promicroceraten fand man dagegen, wie schon erwähnt, eigentlich immer einige und wer lange sammelte, hatte am Ende eine handvoll Stücke, die ausnahmsweise sehr gut trennten. Verstärkt war das nach vorheriger Wintereinwirkung im oberflächennah auf Halde liegenden Material der Fall.
An besagtem Tag im Juni 2010 hatte ich nun schon rund fünf relativ vielversprechende Xipheroceraten gefunden. Die größeren Knollen konnte man im staubigen Haldenmaterial, im Gegensatz zu den kleinen Promicroceras-Geoden erkennen, so dass sich an diesem Tage die Fundhäufigkeit ins Gegenteil verkehrte.
Einige Wochen zuvor hatte Siegfried Schubert (Steinhagen) mir einen Fund seines Sohnes Fabius gezeigt. Es war ein Xipheroceras ziphus von geschätzt 8 cm Durchmesser, noch unpräpariert, aber außerordentlich gut erhalten und damit zweifellos zum Besten gehörend, was ich aus der Obtusum-Zone der Diebrocker Grube bisher gesehen hatte.
Und wie ich mir so dachte, "jetzt fehlt nur noch so ein Hammer-Fund und der Sammeltag ist perfekt", entdeckte ich eine ideal geformte Konkretion an einer Böschung der Halde. Nachdem ich die Geode aufnahm und einmal in der Hand drehte, wurde mir klar, das war er, der gewünschte Volltreffer!
Das Stück sah fast so aus, wie der Fund von Fabius Schubert, er war mit seinen 7 cm Durchmesser nur ein wenig kleiner, übertraf meine bisherigen Xipheroceraten aber deutlich. Ein solches, etwas größeres Xipheroceras war mir sehr willkommen für die Sammlung, weil sich daran die verschiedenen Entwicklungsstadien, wie sie Schlegelmilch (s.o.) beschreibt, nachvollziehen lassen.

 

Leider hatte ich im Fundort keine Kamera dabei, weil ich mir zunächst nicht viel ausgerechnet hatte. So muss das kurze Zeit später zu Hause geschossene Foto, welches die Geode in unverändertem Zustand zeigt, als Ersatz herhalten:



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Abb. 1: Die Xipheroceras-Geode im Zustand, in dem ich sie kurz zuvor auf der Halde gefunden hatte. Lediglich den Venter des Ammoniten hatte ich in der Zwischenzeit schon etwas von Schmutz befreit, um mich von der Qualität des Fossils überzeugen zu können.
 

Höhen und Tiefen der Präparation
Etwa einen Monat später war die Zeit reif für die Präparation des Xipheroceras. Ich suchte mir die bessere Seite aus - in diesem Fall war die mit dem dickeren Geoden-Panzer - und begann mit dem Sticheln mit dem Druckluftstichel HW 70-3. Auf der Außenwindung trennte die Konkretion sehr gut vom Fossil, abgesehen von den zähen, weicheren Mergelüberzügen in den Übergangsbereichen. Die kräftigen Knoten der Außenwindung kamen unbeschadet frei.
Doch dann das! - Im Übergang von der Wohnkammer zum kalzitischen Phragmokon brach ein Stück Außenwindung weg und mit ihr ein Teil des noch nicht ganz freigelegten Kalzit-Phragmokons. Nun sah es alles anderes als gut aus:

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Abb. 2: Zwischenzeitlicher Tiefpunkt: Trotz vorsichtigen Herantastens zerbarst der Ammonit und ein Stück der Außenwindung löste sich entlang einer Sollbruchstelle. Das war weniger schlimm als das Einbrechen des oberflächlich kalzitischen und innen zum Teil hohlen Phragmokons. Das vom Phragmokon weggebrochene Stück - noch mit Geodenüberdeckung - ist rechts unten im Bild zu sehen.


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Abb. 3: Und so sieht er von innen aus...
Kein Wunder, dass der Ammonit durch die Erschütterungen beim Abtrag des harten Geodenpanzers an seiner dünnsten Stelle einbrach.


Kunstharz als Rettung in der Not

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Ich entschied mich, den Ammoniten vor dem Zusammenkleben soweit wie möglich mit Kunstharz aufzufüllen. Zunächst reinigte ich alle Bruchkanten. Dann begann ich mit einem dünnen Spatel den Hohlraum mit Akemi Epoxid aufzufüllen. Zwischendurch wartete ich mehrmals kurz ab, bis die Füllung nachsackte um dann nachzufüllen. Als kein Nachsacken mehr zu beobachten war, bestrich ich die Bruchkanten mit Klebstoff und fügte die beiden Fragmente wieder zusammen.
Ich ließ das Stück nun für einige Tage ruhen, damit das Kunstharz gebührlich aushärten konnte. Danach setzte ich die Stichelpräparation vorsichtig fort und war erfreut, dass der Ammonit nicht mehr einbrach. Die Füllung hatte sich als gute Lösung erwiesen und ich hatte im Nachhinein betrachtet Glück gehabt, dass gleich ein so großes Stück eingebrochen war. So war es möglich gewesen, dieses passend wieder einzukleben und vollständig zu retten. Was sich hingegen nicht retten ließ, waren die Spitzen der Dornen der zweiten Windung. Der auch hier hohle Kalzit ließ sich nicht erhalten.
Was beruhigt da mehr, als bei DIETZE & CHANDLER in Fossilien 4/96 auf Seite 244 dies zu lesen: "Bei Xipheroceras ist jedoch der Verlust der Dornen nahezu unvermeidlich, befindet sich doch am Ansatz der Dornen eine Art "Sollbruchstelle"." Und die Festellung bezog sich - wohlgemerkt - auf die die massiv kalzitischen Exemplare aus den Sinemurium von Dorset (Südengland).
Waren die Dornen der mittleren Windungen nicht alle zu erhalten, kamen die Innenwindungen aber doch in guter Erhaltung frei. Im Zentrum des Ammoniten lässt sich schön, dass "promicroceratoide" Stadium studieren und dann die gröbere Berippung, die dann bald der Bedornung weicht. Ganz außen verliert diese sich dann wieder.
Die Präparation war damit in für mich zufriedenstlelender Form abgeschlossen. Auf Schönheitskorrekturen wie das Behandeln mit Steinpflegemittel oder die Ergänzung der abgebrochenen Dornen der kalzitischen Innenwindungen habe ich verzichtet. Das würde den Wert des Belegstücks aus meiner Sicht nur schmälern.

 

Abb. 3: Xipheroceras ziphus (ZIETEN, 1830) nach der Freilegung, 70 mm Durchmesser, Fundort: Herford-Diebrock.


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Abb. 4: Innen sieht das Xipheroceras aus wie ein Promicroceras, was auf einen Geschlechtsdimorphismus hindeutet, doch dazu später.
Die kalzitische Erhaltung der Innenwindungen ist in Diebrock die Ausnahme. In der Regel ließen sich bei Diebrocker Ammoniten die Innenwindungen mangels Trennfuge kaum freilegen und sich das Juvenilstadium entsprechend schlecht bis gar nicht betrachten. Auch in dieser Hinsicht ist dieses Xipheroceras für mich ein besonderer Fund.


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Abb. 5: Blick auf den zwischenzeitlich eingebrochenen und dann mit Kunstharz unterfütterten Bereich: Es hätte schlimmer kommen können. Viel Substanz ist zum Glück nicht verloren gegangen.


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Abb. 6: Nur die ventrale Ansicht gibt eine Vorstellung von der imposanten Bedornung des Xipheroceras ziphus. Wenn der Steinkern mit der Ausfüllung der Hohldornen schon so aussieht, wie sieht ein solcher Ammonit dann erst mit Schale aus?


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Abb. 7: Ebenfalls im Juni 2010 fand ich dieses 20 mm große Promicroceras planicosta (SOWERBY, 1814). Ist es der dimorphe Partner von Xipheroceras ziphus?


Geschlechtsdimorphismus

 

 
Promicroceras planicosta ist nach Erkenntnissen von COPE, so lesen wir bei DIETZE & CHANDLER in Fossilien (1996), der Mikrokonch zu Xipheroceras dudressieri (ORBIGNY, 1844).
Auch Xipheroceras dudressieri konnte in Herford-Diebrock nachgewiesen werden, ob es eine zeitliche Überschneidung mit Xipheroceras ziphus gibt, konnte anhand der Haldenaufsammlungen allerdings nicht entschieden werden. Beide Arten kommen jedenfalls mit Promicroceras vergesellschaftet vor.

Leider liegt mir die erwähnte Arbeit von COPE nicht vor (trotzdem habe ich sie im Literaturverzeichnis aufgeführt). Wenn jemand über die Arbeit verfügt, wäre ich für eine Übersendung dankbar ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ). Auch sonstige aktuelle Arbeiten (soweit vorhanden) oder eigene Erkenntnisse beziehungsweise Einschätzungen zum Thema wären für mich interessant.
Ergänzende Notiz (11. 3. 2010): Die Arbeit wurde mir inzwischen von einem Sammlerkollegen übersendet, wofür ich herzlich danke.

Nach dem oben gesagten wäre es nicht weiter überraschend, wenn auch Xipheroceras ziphus und Promicroceras planicosta dimorphe Partner sind:

1) Das Juvenilstadium bis zur Größe von rund 1,5 Zentimeter (Abb. 4 und Abb. 7) ist sehr ähnlich. Erst danach geht die Skulpturentwicklung auseinander. Promicroceras wird selten größer als 3 cm, während Xipheroceras ziphus in Herford regelmäßig 5 und mehr Zentimeter Durchmesser erreicht.

2) Die Ammoniten kommen in Herford-Diebrock in einer Schicht vor, in der neben Asteroceras keine anderen Ammoniten in nennenswerter Anzahl auftreten.
Da Asteroceras in die Familie Arietinae zu stellen ist und Xipheroceras und Promicroceras zu den Polymorphitidae gehören (SCHLEGELMILCH, 1992), kommt auch Asteroceras nicht als dimorpher Partner in Betracht. Zwischen Asteroceras und Promicroceras/Xipheroceras gibt es keine Übereinstimmung in der Skulptur. Sie teilten sich einzig denselben Lebensraum.

3) Zwar ist Promicroceras in Diebrock schätzungsweise rund zehnmal häufiger als Xipheroceras, doch sind Häufigkeitsunterschiede bei Dimorphenpaaren durchaus nicht unüblich. Nach meiner Beobachtung ist der Makrokonch meist die seltenere und der Mikrokonch die häufigere Form, was auch in diesem Fall wieder zuträfe.
 

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Abb. 8: Herford-Diebrock im Januar 2010. Die Halde ist überschaubar geworden. Bei meinem bisher einzigen Besuch im Jahr 2011 waren die Funde bescheiden. Ich werde aber demnächst noch mal wieder mein Glück in der Tongrube auf die Probe stellen.
Schon mehrmals habe ich mir gedacht, dass ich jetzt denjenigen Fund gemacht hätte, der für mich die Sammlung dieser Grube "abschließend abrundet" - und dann kam doch noch mal ein weiteres Stück zum Vorschein...

Sönke Simonsen


Literatur:

 

COPE, J. C. W. (1994): Preservation, sexual dimorphism and mode of life of some Sinemurian ammonites, in: Proceedings of the Third Pergola International Symposium, Palaeopelagos Special Publication, Roma, 1, S. 57-66.

DIETZE, V. & CHANDLER, R. B. (1996): Dorset für Fossiliensammler, in: Fossilien, Heft 4/96, S. 233-246.

SCHLEGELMILCH, R. (1992): Die Ammoniten des süddeutschen Lias - Ein Bestimmungsbuch für Fosiliensammler und Geologen, 2. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York.

SIMONSEN, S. (2007): Fossilien aus dem Sinemurium von Herford, auf: www.steinkern.de (Fundstellen / Nordrhein-Westfalen).

SIMONSEN, S. (2009): Funde aus der obtusum-Zone von Herford-Diebrock, in: Arbeitskreis Paläontologie Hannover, Heft 3/2009, S. 41-50.