Unterer Jura

Fossiliengrab aus der ehemaligen Tongrube Kalchreuth – 1988 gefunden und 2022 nachpräpariert

Mit der ehemaligen Unterjura-Tongrube Kalchreuth verbinde ich viele positive Erinnerungen. Dieser Aufschluss gehörte in meiner Jugendzeit zu meinen Lieblingsfundorten und wurde im Rahmen diverser Franken-Urlaubsexkursionen zusammen mit meinen Eltern um die Jahrtausendwende herum jedesmal aufgesucht. Mit freundlicher Genehmigung durch die damals in Spardorf ansässige Ziegelei konnten wir dort nach Herzenslust die oft frisch von den Maschinen in markanten Abbaustufen aufgegrubberten Hänge absuchen. Es waren stets Lesefunde von Ammoniten (hauptsächlich Pleuroceraten) und Kleinfauna möglich, sei es im frischen Abbau oder an anderen Stellen durch Herauswittern, insbesondere nach Starkregen. Viele Ammoniten waren dreidimensional erhalten, besonders dann, wenn sie in Knollen eingebettet („Graue Knollenschicht“ im Top der Grube) vorlagen. Manche lagen aber auch plastisch erhalten im Ton vor, z. B. als Pyritsteinkerne mit weißen Schalenresten. Einige schöne Stücke stellte ich 2005 im Beitrag „Die Tongrube Kalchreuth bei Nürnberg“ auf Steinkern.de vor.

 

01 Herbst 2003

Abb. 1: Die Tongrube bei Kalchreuth bzw. Heroldsberg (hier mit Blick in Richtung Heroldsberg) im Herbst 2003. Die stufenweise Abbautechnik ermöglichte es meist in allen Schichten fündig zu werden, wobei der obere Grubenbereich insgesamt deutlich ergiebiger war.

 

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Abb. 2: Innerhalb kurzer Zeit zusammengetragene Lesefunde aus dem Jahr 2003. Zum Größenvergleich: Es handelt sich bei dem Behältnis um einen 10 Liter Eimer, wie man ihn im Baumarkt kaufen kann. Funde solch großer Pleuroceraten waren damals üblich...

Spaß beiseite! Es ist leider nur eine kleine Dose und die darin enthaltenen Ammoniten nur bis maximal 5 cm groß! Aber dennoch, Kalchreuth machte Spaß und irgendetwas Schönes fand man immer. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich (zuhause war ich damals nämlich auch nicht wirklich professioneller aufgestattet) in der Ferienwohnung schon die besten Fundstücke des Tages wusch und sodann mit Skalpellen und Nadeln freizuschaben begann...

 

Nach Einstellung des Abbaus im Jahr 2005 wurde noch über einige Jahre hinweg sporadisch weiter in der Tongrube gesammelt, dann aber geriet die Kalchreuther Grube mit nachlassendem Sucherfolg und auch aufgrund neuer Zugangsregeln nach und nach in Vergessenheit bei Sammlern. Der ehemalige Tonabbau, für den zwischenzeitlich eine Deponienutzung, eine Resttongewinnung und auch die Umfunktionierung zu einem Golfplatz zur Debatte standen, entwickelte sich mehr und mehr zu einem Biotop. Bis heute wird über zukünftige Nutzungskonzepte diskutiert. In einer Online-Meldung des regionalen Wochenblatts aus dem Februar 2022 mit dem Titel Tongrube am Mistelberg: Rat beschließt Sondergebiet hieß es, dass für die alte Tongrube zwischen Kalchreuth und Heroldsberg seitens der Gemeinden die Ausweisung eines Sondergebiets für ein Geologie- und Naturinformations-Zentrum, Flächen für Naherholung sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft geplant sei. Über dieses Konzept hatten sich die Gemeinderäte von Kalchreuth und Heroldsberg, auf deren Gebieten sich die Grube erstreckt, offenbar im Vorfeld verständigt – allerdings war die Haltung des Grundeigentümers zu den Plänen ungeklärt, dessen Belange ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Falls ein Geologie- und Naturinformations-Zentrum entstehen sollte, wäre es natürlich wünschenswert, wenn in freigegeben Arealen Fossilien gesucht werden dürften, um auch künftigen Generationen das Erlebnis dort Jahrmillionen alte Schätze selbst zu finden, zu ermöglichen. Dieses Nutzungskonzept wäre aus meiner Sicht perfekt mit einer Resttongewinnung vereinbar. Hierin könnte durchaus auch ein Kompromiss zwischen den Interessen der Beteiligten (Gemeinden, Grundeigentümer) liegen.

 

Fundstück aus dem Jahr 1988

Der Tonabbau bei Kalchreuth war um das Jahr 1987 aufgenommen worden. Der Autor war damals erst ein Jahr alt und suchte dementsprechend noch keine Fossilien, während sein heutiger Sammelfreund Hans Peter Junkermann im Sommer 1988 bereits fleißig den Schubgrat der Raupe in der neuen Tongrube auf der Suche nach Ammoniten ablief. In unzähligen Exkursionen sammelte Hans Peter über mehrere Jahrzehnte in fränkischen Pliensbachium-Tongruben, z. B. in Unterstürmig, Kalchreuth und Buttenheim und trug im Laufe der Zeit eine umfangreiche Spezialsammlung von Fossilien aus diesen Schichten zusammen. Bei der Exkursion des Jahres 1988 fand er in der Spinatum-Zone von Kalchreuth eine bräunliche Konkretion mit diversen kleinen Ammoniten und weiterer Kleinfauna, die er in drei Stücken bergen konnte und sorgsam zusammenklebte. Präpariert wurde das Fossiliengrab damals mit einfachen Mitteln, nach dem Motto: lieber etwas nicht freilegen, als etwas mit ungeeigneter Technik zerstören. Er hörte rechtzeitig auf mit der Bearbeitung und das Stück war all die Jahre zwischen 1988 und 2022 in seiner Sammlung bereits sehr präsentabel, wie Abb. 1 und 2 zeigen.

 

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Abb. 3: In dieser Form legte Hans Peter Junkermann das Kalchreuther Fossiliengrab in meine Hände.

 

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Abb. 4: Die andere Seite der Faunenzusammenspülung.

 

Als mir Hans Peter Junkermann (herzlichen Dank nochmals!) neulich ein Konvolut von ihm gesammelter, sehr schöner und teils auch sehr seltener Kalchreuther Fossilien schenkte, befand sich darunter auch die besagte, ziemlich genau 20 cm lange Konkretion mit pyritisierten Ammoniten und weiterer Kleinfauna. Das Stück erinnerte mich unwillkürlich an ein eigenes kleineres Fundstück aus einer ebenfalls eisenschüssigen Kalchreuther Konkretion mit kleinen Pyritammoniten und Begleitfauna, das sich vor vielen Jahren vorzüglich hatte strahlen lassen. Aus diesem Grund war ich motiviert, kurzfristig eine Nachpräpration des Sammlungsneuzugangs mit Strahltechnik vorzunehmen, um die in ihrem äußeren Bereich relativ mergelhaltige Oberfläche der Konkretion auf der Suche nach weiteren Fossilien abzutragen.

 

Nachpräparation im Jahr 2022

Im Zuge der nur wenige Stunden dauernden Nachpräparation wurde die alte Versiegelung von Gestein und Ammoniten aus Zaponlack heruntergestrahlt und die recht unauffälligen damaligen Präparationsspuren der Matrix wurden beim Strahlen in die Tiefe beseitigt. Beim Strahlen machte ich mir den Härteunterschied der relativ stabilen überwiegend pyritisierten Fossilien zur äußerlich weichen und erst nach innen sukzessive härter werdenden Gesteinsmatrix zunutze. An vielen Stellen konnten bereits partiell freiliegende Fossilien weiter freigearbeitet werden, an anderen Stellen tauchten beim Strahlen sogar noch zusätzliche Schnecken und Ammoniten auf, so dass die Fossildichte an der Konkretionsoberfläche im Verlaufe der Arbeit zunahm. Ein großer Vorteil beim Strahlen ist, dass man anders als beim Sticheln die Fossilien bei Entdeckung nicht beschädigt. Ein angenehmer Nebeneffekt des Präparierens in die Tiefe war zudem, dass die Risse der Konkretion entlang der Klebestellen durch die Nachpräparation etwas unaufälliger wurden, da die härtere Matrix in Richtung des Zentrums der Konkretion weniger stark ausgebrochen war als die weicheren Partien im Außenbereich. Das Gestein wurde überall so lange abgetragen bis entweder ein Fossil auftauchte oder es zu hart für weiteren Abtrag wurde und weiteres „Gründeln nach Kleinfauna“ verunmöglichte. Einige Bereiche der Knolle bestehen sogar aus blankem Pyrit, der durch das Strahlen herausmodelliert wurde und nun etwas mehr glitzert als vorher. Durch den beidseitigen Besatz mit filigransten Fossilien und dadurch gegebene Bruchrisiken beim Handling des nicht ganz leichten Steins während der Präparation und die Notwendigkeit eines relativ hohen Betriebsdrucks beim Strahlen, um in Richtung des Inneren der Konkretion überhaupt Abtrag zu erzielen, gingen einzelne stärker exponierte Kleinfossilien leider verloren, was aber angesichts der weit überwiegenden Zahl der Zuwächse zu verschmerzen ist.

 

Die nun folgenden Abb. 5 bis 9 zeigen Gesamtansichten der Stufe nach mehrstündigem allseitigen Strahlen mit Eisenpulver.

 

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Abb. 5: Gesamtansicht der Seite der rund 20 cm langen Stufe, welche die größeren Fossilien enthält.

 

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Abb. 6: In der Seitenansicht wird erkennbar, wie schmal das Grab im Zentrum ist. Beim in Schrägsicht gut erkennbaren Ammoniten unten, etwas links der Mitte, erkennt das geschulte Auge das Vorhandensein des Kielfortsatzes, das dieses Individuum als vollständig ausweist.

 

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Abb. 7: In dieser Ansicht vom anderen Rand der Knolle sticht die Muschel im Bildzentrum ins Auge.

 

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Abb. 8: Ist dies jetzt eigentlich die Vorder- oder die Rückseite der Stufe? Ich tue mich in diesem Fall tatsächlich schwer das zu entscheiden – ein Luxusproblem! Fakt ist, dass sich hier der Großteil der hübschen Kleinfauna angehäuft hat. Dies lässt mich im Übrigen vermuten, dass es die ursprüngliche Unterseite der Zusammenschwemmung gewesen sein könnte(?).

 

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Abb. 9: Seitenansicht der Konkretion mit Blick auf ein sehr schönes, 33 mm großes Pleuroceras. Am Rand besteht die Konkretion auf dieser Seite ganz und gar aus Schwefelkies. Beim wunderbar erhaltenen Ammonitensteinkern sieht man auf zirka 9 Uhr den Übergang zwischen dem Phragmokon (der Teil des Fossils mit der Lobenzeichnung) und der Wohnkammer.

 

Fossilinhalt

Den Inhalt des Fossiliengrabs bilden hinsichtlich der Ammoniten ausschließlich juvenile Pleuroceraten der (erdgeschichtlich betrachtet) frühen bis mittleren Pleuroceraten-Entwicklung. Aufgrund der geringen Größe (bis 4 cm), des generellen Fehlens moderner taxonomischer Studien über die Pleuroceraten und mangels exakter Verortung im Profil der Grube (Lesefund) verzichte ich lieber auf eine gewagte Artzuweisung. Die Gehäuse sind noch eher hochmündig und die Rippen bei weitem nicht so scharfkantig und kräftig wie es später bei Pleuroceras spinatum gegen Ende der Pleuroceraten-Entwicklung der Fall ist, aber auch nicht mehr so flach wie jene der von den Amaltheen überleitenden frühen Formen von Pleuroceras transiens. Die Ammonitensteinkerne sind annähernd vollständig erhalten, wie man am Vorhandensein ihrer Wohnkammern erkennt, was sie bei Durchmessern von höchstens 4 cm als Jungtiere ausweist.

Interessant und außergewöhnlich gegenüber monospezifischen Ammonitengräbern von anderen Fundorten machen diese Totengemeinschaft die vielen enthaltenen Schnecken der Gattung Levipleura. Desweiteren liegt ein Besatz dder Konkretion mit kleinen Muscheln und Brachiopoden vor. Erwähnenswert sind ferner Ostrakoden, die man eher in Schlämmproben erwartet als beim Ammoniten präparieren. Insgesamt ist die Möglichkeit in diesem Fall mit Strahltechnik präparieren zu können ein Glücksfall für die ganz kleinen in der Knolle eingeschlossenen Fossilien gewesen, die beim Sticheln überwiegend bereits im Entdeckungsmoment Wirkungstreffer bekommen hätten und unrettbar kaputtgegangen wären. So fehlen bei anderen Fossilgräbern nicht unbedingt immer schon initial andere Faunenelemente als Ammoniten, nein – die kleineren sind einfach mit Sticheltechnik nicht präparatorisch darstellbar. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass der Umstand, der die Freilegung mittels Strahlens ermöglichte, nämlich die Pyriterhaltung, dem Exponat nicht eines Tages zum Verhängnis wird. Da er bei Hans Peter aber lange unverändert lagerte und mein eigenes Fossilgrab aus dieser Schicht auch stabil ist, bin ich hier guter Dinge, dass es sich bei dem vorliegenden Schwefelkies tatsächlich um Pyrit und nicht um unter Sauerstoffeinfluss instabilen Markasit handelt.

 

Man kann sich beim Betrachten des Grabs unter Vergrößerung ganz in dessen Details verlieren und entdeckt auch nach minutenlangem Betrachten immer noch etwas Neues. Um diesen Eindruck etwas zu transportieren, habe ich einige Detailfotos (Abb. 10–17) gemacht, die überwiegend durch Anklicken vergrößert werden können. Viel Spaß beim Anschauen!

 

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Abb. 10: Nicht alle Pleuroceraten sind gleich gut erhalten, aber das Gesamtbild der Stufe dominieren letztlich die gut erhaltenen Eyecatcher.

 

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Abb. 11: Dieser Bereich der Konkretion enthält die größten (bis 40 mm) und gleichzeitig die proportional wenigsten Fossilien. Das Gestein ist jedoch zu hart, um hier noch wesentlich tiefer zu strahlen. Und ob dort in der Tiefe überhaupt noch etwas an Fossilien liegt, ist auch nicht vorherzusagen.

 

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Abb. 12: Schnecke Levipleura, umrahmt von einem Brachiopoden, Pleuroceraten und Ostrakoden (die bräunlichen Eier“ unten im Bild).

 

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Abb. 13: Pyritisierte Klappe der Muschel Pseudomytiloides, im Tode vereint mit juvenilen Pleuroceraten und adulten Levipleura. Die Gattung Levipleura wurde nicht wesentlich größer als einen Zentimeter.

 

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Abb. 14: Betreffs der Ammoniten ist dies in meinen Augen einer der schönsten Bereiche der Stufe.

 

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Abb. 15: Man mag es kaum glauben, aber hier war keine Messingbürste im Einsatz.

 

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Abb. 16: Einer der Bereiche mit besonders hoher Schneckendichte. Oben, unmittelbar rechts des durch die Konkretion verlaufenden Risses liegt eine Actaeonia, während die Gattung Levipleura das sonstige Bild dominiert.

 

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Abb. 17: Ein letztes Wimmelbild, das nochmals von Levipleuren beherrscht wird.

 

 

Angaben zur Fossilstufe im Überblick:

Stufe mit juvenilen Pleuroceras, diversen Levipleura usw.

Länge der Stufe: 20 cm

Zeitalter: Pliensbachium, Spinatum-Zone

Fundort: ehemalige Tongrube Kalchreuth, Altfund aus dem Jahr 1988

Finder (1988): Hans Peter Junkermann

Nachpräparation mittels Strahlens (2022): Sönke Simonsen

 

Danksagung

Ich danke Hans Peter Junkermann (Ludwigshafen) herzlich für die Überlasung dieses besonderen Fundstücks und freue mich, dass ich mit der Strahlpräparation noch ein bisschen aus dem Gestein herauskitzeln konnte. Hierbei wurden Erinnerungen an wunderbare Exkursionen nach Kalchreuth Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre wach, was mich sogleich zu diesem Bericht inspiriert hat.

Eckhard Petersen (Unna) danke ich dafür, dass er mir und zahlreichen anderen Sammlern Strahlgeräte zu geringen Kosten gebaut hat, die im Einsatz seit vielen Jahren gute Dienste leisten, so auch in diesem Fall.

Ohne das damalige freundliche Entgegenkommen der Gebrüder Schultheiß GmbH & Co KG wäre das Fossilien sammeln in Kalchreuth nicht möglich gewesen. Das hier gezeigte Fundstück hätte, wie tausende anderer durch Sammler entdeckte Fossilien, dann nicht geborgen werden dürfen und wäre zu einem nicht verwertbaren Abfallprodukt bei der Ziegelproduktion geworden. Deswegen möchte ich hier auch noch nachträglich einen Dank aussprechen für das damalige Ermöglichen der Suchtätigkeit, das uns Amateurpaläontologen viel bedeutet und ermöglicht hat.

 

Wo gibt es noch mehr Kalchreuther Fossilien zu sehen?

Weitere Fossilien aus Kalchreuth finden Sie unter „Klassische Fundstelle: Kalchreuth - Lias“ im Steinkern.de Forum. Dort können auch gerne eigene Altfunde aus Kalchreuth vorgestellt werden. Vielleicht besitzt ja sogar jemand noch Material aus demselben Schichtbereich mit vergleichbaren Fossilgräbern? Falls dieses noch unpräpariert sein sollte, probiert es doch mal mit Strahlen, dabei kommt noch einiges zum Vorschein!

 

Sönke Simonsen für Steinkern.de

 


 

Diskussion zum Bericht im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=35489