Oberer Jura

Fossilien der weißjurassischen Schwammrifffazies Frankens

Die Fundstelle "Kälberberg" ist vor allem bekannt für teils hervorragend erhaltene Coronen regulärer cidarider Seeigel (vorherrschend Plegiocidaris). Der ein oder andere Lokalsammler wird über mehrere vollständige Plegiocidariden verfügen, wer aber nur als Urlauber in Franken zu Gast ist, der kann sich glücklich schätzen, wenn er überhaupt eine Stelle findet, wo er einzelne Gehäuseplatten und Stacheln regulärer Seeigel findet - diese deuten darauf hin, dass man zumindest auf der richtigen Fährte ist und mit etwas Glück dann vielleicht doch einen vollständigen Plegiocidaris finden kann!

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"Steinkerne" auf einem der steinigen, in diesem Fall aber leider ziemlich planierten und daher nicht besonders ergiebigen Acker bei Kälberberg

Der kleine Ort Kälberberg liegt ca. 10 Kilometer südöstlich von Bamberg. Mit "Kälberberg" oder "Friesener Warte" bezeichnet man die gesamte Fundregion (Tiefenhöchstadt, Hochstall, "Wachknock", Kälberberg).
Die Fundstellen sind in aller Regel Feldfundstellen, es gibt sowohl Äcker auf denen die Schichtfazies (Ammoniten sind vorherrschend) aufgeschlossen ist, als auch Äcker, welche die Massenfazies (Schwammrifffazies mit den entsprechenden Fossilien, also Crinoiden) nach dem Pflügen und anschließendem kräftigen Abregnen preisgeben. Besonders gesucht, wie bereits zu Anfang erwähnt, sind vor allem die regulären Seeigel, welche jedoch von vorneherein nicht häufig waren und durch die rege Sammeltätigkeit der vergangenen Jahre immer mehr zu Raritäten werden.
Besonders beachtenswert sind - wie eigentlich überall - auch am Kälberberg temporäre Aufschlüsse, so kleinräumig diese auch sein mögen, so interessant können sie sein, wenn sie die richtigen Schichten erschließen. Durch das Pflügen werden viele Ackerfossilien beschädigt, so findet man z.B. von den filigranen Stacheln in aller Regel nur Fragmente. Die Quote vollständiger Fossilien ist bei einem Bauaushub ungleich höher, wenngleich auch hier vieles Bruch ist, da der Calzit (welcher die typische Überlieferungsform der Fossilien der Schwammrifffazies darstelt) sehr leicht zersplittert.

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Dieser enorm große (13 cm Durchmesser!) Rhabdocidaris ist ein "Kälberberg-Pfund" von Wolfgang Dietz - sogar Teile der Mundwerkzeuge dieses Riesen sind erhalten. Ein Jammer, dass sich die zweite Hälfte trotz unermüdlicher Suche nicht auffinden ließ. Falls jemand bald einen halben Plegiocidaris am Kälberberg findet, der ebenso groß ist, bitte melden! ;-) Foto: Wolfgang Dietz

Mein persönlicher Eindruck ist, je mergeliger die Fazies, desto geringer ist auch die Chance einen kompletten Seeigel zu finden, dafür ist die Präparation der Funde umso einfacher, da der Mergel nur von den Fossilien abgewaschen werden muss, während man bei kalkigerer Fazies eher die Chance hat einen Seeigel zu finden, da die einzelnen Gehäuseplatten hier am "kalkigen Kern" haften bleiben und nicht so leicht in einzelne Segmente zerfallen. Bei diesen kalkigeren Stücken ist unter Umständen allerdings eine Präparation mittels KOH ("Ätzkali") oder Sandstrahler erforderlich, da bei diesen meist nur Teilbereiche durch Huminsäure freigesetzt sind, während wiederum andere Bereiche noch von Kalkmergel bedeckt sind.

Die folgenden Bilder und die dort gezeigten Funde stehen stellvertretend für einen Teil der Schwammrifffazies der Fundregion "Kälberberg", wobei ich darauf verweisen möchte, dass es kein repräsentativer Querschnitt ist, da z.B. Schwämme deutlich unterrepräsentiert sind. Das Gros der größeren Funde besteht nämlich auf vielen Feldern aus eben diesen Schwämmen. Funde kleiner Ammoniten sind ebenfalls keine Seltenheiten in der Massenfazies, sie treten hier jedoch deutlich gegenüber anderen Faunenelementen zurück.

Eine genaue statigraphische Einordnung gestaltet sich bei den Fossilien der Schwammrifffazies schwierig, da diese sich über den gesamten Weißjura hinweg kaum in ihrer Zusammensetzung verändert hat, abgesehen von den leitenden Ammonitenarten, die aber erstmal gefunden werden müssen um genauere Aussagen treffen zu können.

Das Auftreten der Ammoniten Aspidoceras binodum und Creniceras dentatum deutet im Fall der Fundstelle von der die folgenden Bilder und Fossilien stammen darauf hin, dass es sich um Malm gamma 2 (mittleres Unterkimmeridgium) handelt.

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Steinkernredakteur Sven Weidemeyer beim bodennahen Suchen nach Kleinfossilien der Schwammrifffazies. Foto: Sönke Simonsen

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Freigeregnet: Zwei Stachelfragmente, ein kleinwüchsiger Ammonit und eine Gehäuseplatte eines Plegiocidaris stehen hier stellvertretend für den ungeheuren Fossilreichtum der Schwammriffmergel von Kälberberg. Foto: Wolfgang Dietz

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Wolfgang Dietz bei der Suche nach einem kompletten cidariden Seeigel: Ein schwieriges Unterfangen! Stachelwarzen sind zwar häufig, aber vollständige Seeigel ausgewiesen selten. Foto: Sönke Simonsen

Die mergelige Schwammrifffazies kann übrigens gut zum Schlämmen verwendet werden. Mergel die schon am Fundort relativ reich an Kleinfossilien sind, können mitgenommen werden um die Suche zu Hause in Ruhe fortzusetzen. So können daheim dann Funde nachgeholt werden, die einem am Fundort selbst nicht geglückt sind.
Steinkernredakteur Nico Küter fand so z.B. beim Schlämmen einiger Kilogramm besten Kälberbergschlämmmaterials mehrere kleine Haifischzähne, die zur im Jura stellenweise gar nicht seltenen Art Sphenodus longidens zu stellen sind.

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Beim Schlämmen kann die Suche nach Seltenheiten wie Haifischzähnchen (Sphenodus) oder Seelilienkelchen (Eugeniacrinites) fortgesetzt werden. Hier ein Bildausschnitt dessen, was beim Schlämmen einiger 100 Gramm Mergel an Material zurückbleibt. Eine Brachiopode, sowie ein Stachelfragment und eine Gehäuseplatte eines cidariden Seeigels sind erkennbar. Foto: Sönke Simonsen

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Unterschiedliche Funde aus Kälberberg, der Löwenanteil wird durch Stachelfragmente gebildet. Foto und Sammlung: Sönke Simonsen

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Wohlerhaltene Stacheln cf. Plegiocidaris, Länge bis ca. 25 mm, nur abgewaschen wie alle gezeigten Funde, Foto und Sammlung: Sönke Simonsen

Zum Abschluss möchte ich noch eine Kleinigkeit zeigen, die ich direkt am Fundort schon als kleine Besonderheit erkannt habe. Es ist der Kelch der kleinen Seeliengattung Eugeniacrinites - andernorts vielleicht gar nicht mal selten, hier aber außergewöhnlich. Unter mehreren hundert gefundenen Einzelteilen findet sich nicht ein einziges Seelilienstielglied, aber diese kleine Krone. Möglicherweise kann hier als Erklärung angeführt werden, dass die Stielglieder derart filigran sind, dass sie in so extrem kleine Teile zerfallen, dass es mit dem bloßen Auge kaum möglich ist sie zu finden.

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Der nur etwa 3 mm große Kelch der kleinen Seelilienart Eugeniacrinites cariophyllites. Foto und Sammlung: Sönke Simonsen

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Der Kelch von Eugeniacrinites in Seitenansicht, als Unterlage fungiert ein "Grünlingsammonit" aus Gräfenberg. Foto: Sönke Simonsen

Die genaue Lage und Anfahrt zur Mini-Fundstelle möchte ich hier nicht publik machen, da der Aufschluss sicherlich keine Funde für etliche Sammler hergibt und möglicherweise auch schon binnen kürzester Zeit gar nicht mehr existieren könnte. Das Erkunden der Felder und eventueller temporärer Aufschlüsse bleibt jedem selbst überlassen - anhand der Informationen im "Geoführer Frankenjura", lässt sich sicher der ein oder andere Acker finden, der für Fossilfunde gut ist.

Es versteht sich von selbst, dass nur brachliegende Felder betreten werden - keineswegs auf angesäten oder bestellten Äckern sammeln, sonst gibt es unweigerlich Ärger und wir Sammler verscherzen uns das Verhältnis zu den Bauern!


Mein Dank für das Zeigen der Fundstelle, sowie für das zur Verfügung stellen von Bildern für den Bericht gilt Wolfgang Dietz, für Hilfe bei der stratigraphischen Einordnung der Funde danke ich ebenfalls Wolfgang, darüber hinaus aber auch Andreas Martin!
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Link zu einem Kurzbericht über einen Plegiocidaris-Fund vom Kälberberg:
S. SIMONSEN: http://www.steinkern.de/fossilien-aller-zeitalter/jura/oberer-jura-malm/488-ein-plegiocidaris-von-der-friesener-warte.html

Literatur, unter anderem auch mit Fundstellenbeschreibung "Kälberberg":
A. E. RICHTER, Geoführer Frankenjura, Geologische Sehenswürdigkeiten und Fossilfundstellen, Ammon Rey Verlag, 2000