Mittlerer Jura

Pseudogarantianen und Garantianen aus dem Steinbruch Winnberg/Sengenthal

Pseudogarantianen und Garantianen aus dem Steinbruch Winnberg/Sengenthal:

Zur Differentialdiagnose P. minima (WETZEL, 1911) und P. dichotoma BENTZ, 1928

- ein Lernerlebnis

Endlich konnte ich einige Funde unserer Steinkern-Grabungsaktion von 2014 fertig präparieren und fotografieren, und so möchte ich hier eine Serie von Ammoniten vorstellen, die mir besonders am Herzen liegen und die aufgrund ihrer geringen Größe häufig übersehen oder gar gering geschätzt werden: Pseudogarantianen, die Mikroconche zu Garantiana. Aufgrund der reichlichen Funde unserer Exkursion zog sich unsere abschließende Verteilungs-Aktion am dritten Tag über mehr als zwei Stunden hin, wobei „groß“ meist den Vorzug gegenüber „klein“ erhielt. So überließen mir die Sammlerfreunde am Ende gern zwei oder drei Beutel mit „Kleinzeug“, in diesem Falle aus der Garantiana-Zone, Schicht 5 und 6 nach Callomon u. a. (3.). Diese Literaturquelle aus dem Jahre 1987 kann immer noch als „die“ Leitlinie zur Stratigraphie von Sengenthal-Ammoniten gelten, wobei das Artenspektrum der beiden Schichten 5 und 6 nach Angabe von Dr. Martin Görlich (s. u.) aufgrund Bioturbation trotz lithologischer Unterschiede stark übereinstimmt.

Beim Formatieren und Anpräparieren mittels Druckluftstichel und Anstrahlen mit Eisenpulver zeigte sich schnell, dass meine Erwartungen in Erfüllung gingen (Abb. 1 und 2). Insgesamt kamen 34 brauchbare Kleinammoniten ans Licht, davon neun gut erhaltene Pseudogarantianen mit Apophysen („Ohren“) und ein paar mit Apophysen-Ansatz, sowie zahlreiche kleine Garantiana-Makroconche, daneben viele Muscheln und eine schöne Obornella-Schnecke, die noch publiziert werden. Ferner wählte ich den bereits auf der Homepage gezeigten unvollständigen Nautilus und einen Megateuthen - insgesamt für mich eine fantastische Ausbeute aus den genannten Schichten.

 

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Abb. 1: Anpräparierte Fundstücke.

 

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Abb. 2: Eine Auswahl fertig präparierter Stücke, bei denen nur noch das Einlassen mit Steinpflegemittel aussteht. Die Schnecke (zweites Fossil von oben links) ist die zuvor angesprochene gut erhaltene Obornella.

 

Im Folgenden vertiefte ich mich in die Literatur, insbesondere die Arbeit von DIETZE et al. über Garantianen im schwäbischen Ipf-Gebiet, (1. in der Literatur-Liste) mit der vermutlich umfassendsten modernen Zusammenfassung über Garantianen. Die sichere Unterscheidung von P. minima (WETZEL, 1911) und P. dichotoma BENTZ, 1928 ist am Einzelstück nicht einfach. Die Differentialdiagnose erfolgt durch den Winkel, den die Rippen am Venter bilden, wo sie durch eine mehr oder weniger breite Furche getrennt sind: Bei P. minima ist dieser Winkel gestreckt bzw. die Rippen laufen fast geradlinig aufeinander zu, bei P. dichotoma ist der Winkel stumpf. Seitlich verlaufen die Ventral- und Sekundärrippen bei P. minima nach angedeuteter Rückwendung mehr nach vorn gerichtet, („prorsiradiat“), was auf dem Venter zu dem genannten Winkel führt. Hinsichtlich der Bedornung existieren unterschiedliche Angaben. Die meisten Exemplare von P. dichotoma aus Sengenthal weisen starke Knoten an den Rippenenden am Venter auf und werden als forma nodosa (BENTZ) bezeichnet.

Keine geeigneten Kriterien zur Differenzierung sind die Größe (wobei P. minima im Laufe der Phylogenese immer kleiner wird), die Dicke der Ammoniten sowie die Dichte und Stärke der Berippung, was die Bestimmung angesichts der hohen Variabilität sehr schwierig macht.

Nun lässt sich aber die Situation in Schwaben (Arbeit von DIETZE et al.) natürlich nicht 1:1 auf die Oberpfalz übertragen. Ich mailte also Fotos der besten Stücke an meinen Freund Dr. Martin Görlich, der in seinem Hause in Altdorf die weltweit führende Sengenthal-Sammlung besitzt und einer der besten Kenner der dortigen Fossilien ist. Zufällig besuchte Herr Dr. Gerd Dietl, Mitautor der Callomon-Arbeit (3.) und Wissenschaftler auf dem Gebiet, Martin zur gleichen Zeit und begutachtete ebenfalls meine Fotos.

Das Ergebnis für Schicht 5 und 6 ist frappierend einfach: Der Bereich stellt im Gegensatz zum Ipf-Gebiet nach Einschätzung der Experten nur einen Ausschnitt aus der Garantiana-Zone dar, nämlich den Suevica-Horizont, was bedeutet, dass alle darin enthaltenen Pseudogarantianen zu Pseudogarantiana dichotoma und alle Makroconche zu Garantiana suevica (WETZEL, 1911) zu stellen sind. Verblüffend ist dabei die enorme Variabilität innerhalb der Art - insbesondere das ganz unten gezeigte, breite Stück (Abb. 19) hätte ich als andere Spezies betrachtet, was vor allem deutlich wird, wenn man es in Händen hält!

Spannend wird es in Sengenthal auch unterhalb der Schicht 5, wo Ammoniten insgesamt extrem selten sind. Der älteste in Sengenthal gefundene Ammonit ist eine Emileia, und auch Strenoceraten und urtümliche Garantianen kommen hier als Seltenheit vor. Auch oberhalb von Schicht 6 gibt es im Aufschluss am Winnberg Garantianen, die noch in unserem Forum publiziert werden sollen, beide Arten von Pseudogarantianen kommen dort nebeneinander vor. Eine nur stellenweise vorhandene, im Steinbruch linsenförmig verteilte Zwischenschicht mit einem rosafarbenen Anflug der Gesteinsfärbung enthält andere, teils noch unveröffentlichte Arten von Pseudogarantianen. Aus dieser Schicht stammt das einzige Exemplar aus meiner Serie, das von den Experten als P. minima diagnostiziert wurde (Abb. 3). Ein Problem bei der Arbeit mit Fotos ist, dass Gesteinsfarben auf Fotos nicht immer zuverlässig wiedergegeben werden.

 

Was habe ich bei alledem gelernt?

  1. Der Versuch einer rein morphologischen Artbestimmung ohne Berücksichtigung der genauen Fundschicht ist meist ein recht sinnloses Unterfangen.

  2. Aus dem gleichen Grunde werde ich in Zukunft öfter mal ein kleines Stück Matrix am Fossil belassen, sofern das Gestein im Mündungsbereich zur lithologischen Beurteilung nicht ausreicht.

  3. Selbst Experten geben zu, dass ihre Artdiagnosen subjektiv sind, so sind ja auch die o. g. Merkmale subjektiv gewichtet. Die biologische Realität in dem Sinne, dass sich nur Individuen der gleichen Art erfolgreich miteinander fortpflanzen, lässt sich aus fossilen Einzelfunden schlichtweg nicht nachvollziehen!

Für wertvolle Anregungen und Diskussionen danke ich Dr. Martin Görlich, Dr. Gerd Dietl und Volker Dietze sehr herzlich.

 

Nun aber die Fotostrecke zum Genießen, überwiegend mit Vergleich vor bzw. während und nach der Präparation:

 

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Abb. 3 (a-e): Pseudogarantiana minima (WETZEL), 29 mm.

 

 

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Abb. 4 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 31 mm, unpräpariert und präpariert.

 

 

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Abb. 5: Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 26 mm.

 

 

13 16

Abb. 6 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 27 mm.

 

 

17 20

Abb. 7 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 25 mm.

 

 

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Abb. 8 (a-c): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 25 mm.

 

 

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Abb. 9 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 26 mm.

 

 

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Abb. 10 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 30 mm.

 

32 33

Abb. 11 (a und b): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 27 mm, links anpräpariert von der schlechter erhaltenen Seite, rechts vollständig freigelegt von der besser überlieferten Gegenseite.

 

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Abb. 12 (a-d): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 32 mm.

 

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Abb. 13 (a und b): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 29 mm.

 

40 41

Abb. 14 (a und b): Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 29 mm.

 

 

42 47

Abb. 15 (a-f): Sehr breitmündige Variante von Pseudogarantiana dichotoma BENTZ, 26 mm.

 

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Abb. 16 (a-c): Pseudogarantianen-Zwilling (23 mm und 17 mm).

 

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Abb. 17 (a-d): Garantiana suevica (WETZEL), je 25 mm.

 

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Abb. 18: Weitere G. suevica und P. dichotoma, in Größen zwischen 14 und 34 mm.

 

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Abb. 19: Garantiana suevica, 36 mm.

 

Dr. Danylo Kubryk (Kirchheim b. München)

 

 

Literatur:

 

1.

DIETZE, V., SCHWEIGERT, G., CALLOMON, J. H. & GAUTHIER, H. (2002): Garantiana- und frühe Parkinsoni-Zone (Ober-Bajocium, Mittlerer Jura) am Ipf (östliche Schwäbische Alb, SW-Deutschland) mit Bemerkungen zur Phylogenie der Ammonitengattung Garantiana MASCKE, 1907, in: Stuttgarter Beitr. Naturk. Ser. B, Nr. 315, 89 S., 17 Taf., 7 Abb., 1 Tab. Stuttgart.

 

2.

SCHAIRER, G. (1987): Ammoniten aus Bajoc und Bathon (mittlerer Jura) von Sengenthal, in: Mitt. Bayer. Staatsslg. Paläont. hist. Geol.  27, S. 31-50, München.

 

3.

CALLOMON, J. H.; DIETL, G .; GALACZ, A.; GRADL H.; NIEDERHOFER, J. & ZEISS, A. (1987): Zur Stratigraphie des Mittel- und unteren Oberjuras in Sengenthal bei Neumarkt/Opf. (Fränkische Alb), in: Stuttgarter Beitr. Naturk., Serie B, Nr. 132, S. 1-53.

 

4.

SCHLEGELMILCH, R. (1985): Die Ammoniten des süddeutschen Doggers, Stuttgart, New York.