Devon

Kleinfauna aus dem Devon der Eifel, 2. Teil: Microconchida (Tentaculita)

Im zweiten Teil dieser Reihe möchte ich eine Gruppe von Fossilien vorstellen, die den meisten Sammlern sicherlich schon einmal begegnet ist. Oft schenkt man ihnen wenig Beachtung, sie werden bestenfalls lediglich als „Beifang“ betrachtet. Aus meiner Sicht vollkommen zu Unrecht; denn die Microconchida bilden eine sehr erfolgreiche und weit verbreitete Gruppe und auch optisch haben sie durchaus ihren Reiz. Gründe genug, sie einmal näher zu betrachten.

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Abb.1: links und in der Mitte: “Spirorbis laxus“, rechts: „Spirorbis spinulifera“.

Grafiken entnommen aus: Henry Alleyne Nicholson, H. A. (1895): The ancient life-history of the earth; a comprehensive outline of the principles and leading facts of palaeontological science; S. 145, Fig. 87

 

Microconchida

Microconchida sind eine Ordnung inkrustrierender Röhrenwürmer. Man kann sie mit Recht als evolutionsbiologisches Erfolgsmodell bezeichnen, denn sie sind eine sehr langlebige Gruppe und weltweit verbreitet. Sie treten zum ersten Mal im späten Ordovizium (Katium) auf und verschwinden erst im Mittleren Jura (Bathonium). Als ursprünglich rein marin vorkommende Invertebraten, haben sie sich im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte auch brackische und limnische Lebensräume erschlossen und diese erfolgreich besiedelt.

 

Beschreibung

Die calcitischen Röhren der Microconchida sind recht klein, ihr Durchmesser beträgt meist nur wenige Millimeter. Im Laufe ihrer Phylogenese haben sich die verschiedensten Morphotypen herausgebildet, von planspiral aufgerollten und vollständig auf dem Untergrund zementiert lebenden Arten, bis hin zu nur lose aufgerollten Röhren, die nur im juvenilen Stadium mit dem Untergrund verbunden sind. Bei einigen Arten lässt sich beobachten, dass das obere Ende der Röhre nicht planspiral aufliegt, sondern aufgerichtet ist. Dabei handelt es sich möglicherweise um eine Verteidigungsstrategie, um das Überwachsen durch andere inkrustrierende Organismen zu verhindern.

Die Schale der Microconchida ist punctat oder pseudopunctat, neben der Struktur der Schalenoberfläche ist dies ein wichtiges Bestimmungsmerkmal.

Optisch ähneln die Microconchida stark den Röhren von Spirorbis (LINNAEUS 1758); einem polychaeten Ringelwurm, der auch rezent noch weit verbreitet ist. Über Jahrzehnte wurden die Microconchida pauschal als Spirobis bezeichnet, dabei bestehen zwischen ihnen und Spirorbis keine verwandschaftlichen Beziehungen; ihre ähnliche Gestalt beruht lediglich auf einer konvergenten Entwicklung.

In aktuelleren Studien (Taylor & Vinn, 2006) konnte anhand von mikrostrukturellen Untersuchungen belegt werden, dass sich die Microconchida klar von den modernen Spirorbis abgrenzen lassen. Systematisch stehen sie den Lophophorata nahe und werden zur Klasse Tentaculitoida gestellt (Weedon, 1991, 1994; Taylor & Vinn, 2006; Vinn & Mutvei, 2009)

Als einfache Regel kann man sich merken, dass “echte” Spirorbis erst ab der Kreide auftreten; alle älteren Formen werden zu den Microconchida gestellt.

 

Lebensweise

Die Microconchida waren vermutlich filtrierende Suspensionsfresser, ähnlich den rezenten Röhrenwürmern. Sie besiedelten als sessile Epizoen allerlei Hartgründe. Diese Besiedlungsstragie bot viele Vorteile; die Röhren waren zum Beispiel besser gegen Abrasion und Fressfeinde geschützt.

Bei der Wahl des Untergrundes waren sie nicht sehr wählerisch, ihre Röhren finden sich unter anderem auf Molluskenschalen, Brachiopoden, Trilobitenpanzern, Korallen, Bryozoen und Pflanzen. Sie sind oft vergesellschaftet mit anderen epizoischen Organismen, wie auloporiden Korallen und trepostomen Bryozoen.

Im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte breiteten sie sich von ihrem angestammten rein marinen Lebensraum auch in brackische und limnische Milieus aus; allerdings nur in Gewässern mit marinem Einfluss. Es gibt bis heute keine fossilen Belege dafür, dass sie kontinentale Gewässer ohne eine Verbindung zum Meer besiedelt haben.

 

Vorkommen

In der Eifel sind Microchonchida nicht selten, lokal sind sie sogar ausgesprochen häufig. Man findet sie überwiegend als Epöken auf anderen Fossilien, seltener isoliert im Schlämmmaterial.

Da ihre Röhren sehr klein sind, entdeckt man sie häufig erst nach der Reinigung seiner Funde. Von den meisten Sammlern erfahren sie nur eine geringe Wertschätzung, weil sie keine dekorativen Schaustücke sind. Unter dem Binokular betrachtet, haben ihre winzigen Röhren aber durchaus ihren Reiz.

Von einer Bestimmung habe ich bisher aufgrund der geringen Größe der Stücke und ungenügender Fachkenntnis abgesehen. Hinzu kommt, dass es kaum aktuelle Literatur zu den Microconchida aus dem Devon der Eifel gibt.

Deshalb wurden alle hier vorgestellten Exemplare vorläufig als “Microconchida non det.” bestimmt.

 

Literatur

Caruso, Joseph A.; Tomescu, Alexandru M. F. (2012): Microconchid encrusters colonizing land plants: the earliest North American record from the Early Devonian of Wyoming, USA; Lethaia Vol. 45; pp. 490–494.

Gierlowski-Kordesch, Elizabeth H.; Cassle, Christopher F. (2015): The Spirorbisproblem revisited: Sedimentology and biology of microconchids in marine-nonmarine transitions; Earth-Science Reviews Vol.148 ; pp. 209227.

Jux, Ulrich (1964): Chaetocladus strunensis n. sp., eine von Spirorbis besiedelte Pflanze aus dem Oberen Plattenkalk von Bergisch Gladbach (Devon, Rheinisches Schiefergebirge); Palaeontographica / B Band 114 Lieferung 4-6; pp. 118 - 134.

Taylor, P. D.; Vinn, Olev (2006): Convergent morphology in small spiral worm tubes (“Spirorbis”) and its palaeoenvironmental implications; Journal of the Geological Society, London Vol. 163; pp. 225-228.

Vinn, Olev; Mutvei, Harry (2009): Calcareous tubeworms of the Phanerozoic; Estonian Journal of Earth Sciences Vol 58 (4); pp. 286-296.

Vinn, Olev (2010): Adaptive strategies in the evolution of encrusting tentaculitoid tubeworms; in: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 292; pp. 211221.

Zaton, Michal; Krawcyynski, Wojciech (2011): New devonian Microconchids (Tentaculita) from the Holy Cross Mountains, Poland; Journal of Paleontology 85 (4); pp. 757–769.

Zaton, Michal; Vinn, Olev (2011): Microconchids and the rise of modern encrusting communities; Lethaia, Vol. 44, pp. 5–7.

Zaton, Michal; Wilson, Mark A.; Vinn, Olev (2012): Redescription and Neotype designation of the middle Devonian Microconchid (Tentaculita) species “Spirorbis” angulatus HALL, 1861; Journal of Paleontology 86 (3); pp. 417–424.

Zaton, Michal et.al (2012): Invasion of freshwater and variable marginal marine habitats by microconchid tubeworms – an evolutionary perpective; Geobios 45; pp. 603-610.

Zaton, Michal; Vinn, Olev (2012): Phenetic phylogenetics of Tentaculitoids – extinct problematic calcareous tube-forming organisms; GFF Vol. 134; pp. 145–156.

 

Abb. 2

Abb. 2: Microconchida non det.

A Ø = 3,6 mm; B Ø = 2,4 mm; C Ø = 2,7 mm; D Ø = 3,9 mm

Die Stücke A – C stammen aus der Rodert-Formation (Givet) von Sötenich; D stammt aus dem Hallert-Member, Ahbach-Formation (Eifelium) von Blankenheim

Fotos: N. Jung

 

Abb. 3

Abb. 3: Microconchida non det., isolierte Exemplare aus Schlämmmaterial

A Ø = 2,3 mm; B Ø = 2,4 mm

Beide Stücke stammen aus dem Nims-Member, Junkerberg-Formation (Eifelium) der Prümer Mulde. 

Fotos: N. Jung

 

Abb. 4

Abb.4: Microconchida non det., aufgewachsen auf einem Crinoidenstiel

A gesamte Höhe = 6,4 mm; B gesamte Höhe = 6,4 mm

Beide Stücke stammen aus dem Olifant-Member, Ahbach-Formation (Givet) der Prümer Mulde.

Fotos: N. Jung

 

 Nils Jung für Steinkern.de