Devon

Kleinfauna aus dem Devon der Eifel, 1. Teil: Die Koralle Petronella pygmaea (SCHLÜTER, 1885)

In dieser Reihe möchte ich in loser Folge einige ausgesuchte Kleinfossilien aus dem Devon der Eifel vorstellen.

Den Anfang macht eine kleine Koralle, die vielleicht nicht jedem Sammler geläufig ist - die Koralle Petronella pygmaea (SCHLÜTER, 1885).

 

Die Originalabbildungen aus Schlüter: Neue Korallen aus dem Mitteldevon der Eifel. Sitz.-Ber. niederrhein. Ges. Natur- und Heilkde., 1885, Tafel 2, Fig. 13-15.

 

Petronella pygmaea ist eine kleine Solitärkoralle, die zur Ordnung der Rugosa gehört. Sie ist die Typusart und gleichzeitig der einzige im Devon der Eifel vorkommende Vertreter der Familie der Petronellidae BIRENHEIDE 1965.

Sie wurde erstmals 1885 von Clemens Schlüter als Duncanella pygmaea aus dem Mitteldevon der Eifel beschrieben. Rudolf Birenheide hat die Art 1965 erneut bearbeitet und der neu aufgestellten Familie Petronellidae zugeordnet.

Ihre äußere Gestalt macht sie nahezu unverwechselbar mit anderen Rugosa-Arten. Die Koralle ist sehr klein, sie erreicht in der Regel eine Höhe von nur wenigen Millimetern. Ihr Querschnitt ist kreisrund und der äußere Durchmesser bleibt nahezu konstant, ihre Wuchsform ist daher fast perfekt zylindrisch. Die Epithek ist glatt, mit nur schwach angedeuteten Runzeln. Auffälligstes Merkmal ist die kegelförmige Spitze der Koralle. Sie wird aus den frei liegenden Septen gebildet und ist nicht von einer schützenden Epithek umhüllt. Der Kelch ist flach bis mäßig tief glockenförmig, die Septen sind (im Gegensatz zu der idealisierten Zeichnung von Schlüter) nur am Rand zu erkennen.

Neben Petronella pygmaea existiert noch eine weitere Art aus der Familie der Petronellidae; Petronella truncata (BARROIS, 1882) ist aus dem Unterdevon (Emsium) von Spanien bekannt. Von dieser Art unterscheidet sich P. pygmaea durch ihre geringere Größe, eine geringere Septenanzahl und die weniger strukturierte Oberfläche der Epithek.

 

barrois

Die Originalabbildung von P. truncata aus Barrois: Recherches sur les terrains anciens des Asturies et de Galice, Mémoires de la Societe Géologique du Nord, 2 (1): Tafel 6, Fig. 7a.

 

Vermehrung und Lebensweise

Die Lebensweise von Petronella und die Funktion ihrer mauerfreien Spitze ist bisher nicht endgültig geklärt. Mögliche Ursache für diese eigentümliche Spitze ist eine spezialisierte Art der ungeschlechtlichen Vermehrung.

Korallen können sich sowohl geschlechtlich, als auch asexuell durch Knospung oder Teilung vermehren. Häufig geschieht dies durch die extratentakuläre Knospung; dabei bildet sich das Skelett des Tochterpolypen an der Außenseite des Mutterkelches oder durch die intratentakuläre Knospung; hier entsteht der Tochterkelch an der Innenseite des Mutterkelches und entwickelt eine neue Mauer, die Mutter- und Tochterkelch voneinander trennt. Beide Knospungs-Typen sind an vielen Korallenarten aus dem Mitteldevon der Eifel gut zu beobachten.

Bei Petronella handelt es sich möglicherweise um einen speziellen Knospungs-Typus, der sich von den bisher bekannten unterscheidet. Birenheide und Soto haben 1977 eine Theorie aufgestellt, wie die Knospung bei Petronella vonstatten gegangen sein könnte. Da sowohl die Höhe der Einzelkorallen sowie auch deren Durchmesser relativ konstant bleibt, hat sich möglicherweise der Mutterpolyp vollständig in zwei Individuen geteilt.

Die epithekfreie Spitze wurde vermutlich bereits vor der Ablösung des Tochterpolypen im Mutterpolypen angelegt (A). Nach dem Erreichen einer bestimmten Größe teilt sich der Mutterpolyp und schnürt den so entstandenen Tochterpolypen mitsamt der Spitze ab (B). Dieser beginnt nach dem Ablösen vom Mutterpolypen mit dem Aufbau der Epithek (C).

 

Nach der Teilung hat der Mutterpolyp die weitere Bildung von Skelettmaterial scheinbar eingestellt. Dafür spricht die etwa gleiche Höhe der Korallen, sie liegt durchschnittlich bei etwa 4,5 mm. Möglicherweise war der Polyp nicht dazu in der Lage, nach der Teilung vollständig zu regenerieren.

Die Begleitfauna lässt darauf schließen, dass Petronella keine typische Korallenfazies, sondern mäßig tiefere Zonen des Meeres besiedelt hat. Möglicherweise handelt es sich bei dieser vermuteten Art der ungeschlechtlichen Vermehrung um eine Anpassung an den Lebensraum. Die komplette Teilung der Polypen könnte der schnellste und effektivste Weg gewesen sein, das Überleben mehrerer Generationen unter diesen eher ungünstigen Bedingungen zu sichern.

 

Vorkommen

Der genaue Fundort und das Stratum typicum des von Schlüter beschriebenen Holotypus ist nicht näher bekannt, vermutlich stammen die Stücke von einer mittlerweile erloschenen Fundstelle am Hang der Burg Gerolstein.

Frech (1886) erwähnt Petronella aus den „Oberen Calceola-Schichten“ (ein älteres Synonym für die Ahrdorf-Formation, Eifelium) von der Auburg bei Gerolstein, allerdings ist auch hier davon auszugehen, dass ihm persönlich der Fundort der Stücke nicht bekannt war. Vermutlich handelt es sich bei seiner Fundortangabe um eine Verwechslung mit der Burg Gerolstein.

Birenheide gelang es anhand der vorhandenen Begleitfauna, die Originalstücke von Schlüter der Freilingen-Formation (Eifelium) zuzuordnen. Leider waren derzeit die entsprechenden Schichten an der vermuteten Lokalität nicht zugänglich und ein weiteres Nachforschen nicht möglich.

 

Fundmöglichkeiten

Generell scheint Petronella im Mitteldevon der Eifel recht selten zu sein. Das liegt sicherlich auch an ihrer geringen Größe, so kleine Fossilien werden (wenn man nicht gezielt danach sucht) gerne übersehen. Möglicherweise sind auch die entsprechenden Schichten; die den bevorzugten Lebensraum von Petronella repräsentieren; nur spärlich aufgeschlossen.

Bisher habe ich nur ein einziges Exemplar finden können. Das Stück stammt aus dem Bohnert-Member, Freilingen Formation (Eifelium) der Prümer Mulde. Fundort ist die ehemalige Trasse der B54; NO von Rommersheim. Die Koralle ist 4 mm hoch und hat einen Durchmesser von etwa 2,3 mm.

 

S 045

 

Literatur

- Birenheide, R. (1965): Neubeschreibung der rugosen Koralle "Duncanella" pygmaea SCHLÜTER, in: Fortschritte in der Geologie von   Rheinland und Westfalen, 9, 1965, S. 1-6.

- Birenheide, R.; Soto, F. M. (1977): Fossil-Vergesellschaftungen, Nr. 56: Rugose corals with wall-free apex from the Lower Devonian of the Cantabrian Mountains, Spain, in: Senckenbergiana Lethaea, 58 (1-3), S. 1-23.

- Barrois, C. (1882): Recherches sur les terrains anciens des Asturies et de Galice, Mémoires de la Societe Géologique du Nord, 2 (1), 1-630. Lille.

- Flügel, H.W. (1973): Rugose Korallen aus dem oberen Perm Ost-Gronlands, in: Verhandlungen der Geologischen Bundesanstalt, S. 1-57.

- Frech, F. (1886): Die Cyathophylliden und Zaphrentiden des Oberdevons in Deutschland, in: Palaeont. Abh., Vol.3, No.3, S. 115-234.

- Möller , C., Leipnitz, H. (1987): Aufbau, Lebensweise und Systematik der Korallen (Anthozoa), in: Arbeitskreis Paläontologie Hannover 15 (5), S. 97-105.

- Schlüter, C. (1885): Neue Korallen aus dem Mitteldevon der Eifel, in: Sitz.-Ber. niederrhein. Ges. Natur- und Heilkde., 1885, S. 6-13; Bonn.